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# taz.de -- Was ist mit der Laus geschehen?
> Der Markt für Kopflauspräparate leidet unter der Coronakrise – denn
> Abstand hilft nicht nur gegen Viren. Auf der Suche nach dem Verbleib der
> Laus
Von Natalie Tenberg
Jahrelang stand im Hausaufgabenheft aller Grundschüler in schönen Abständen
das gleiche Wort in roten Großbuchstaben: LÄUSEALARM. Darunter sollten die
Eltern bitte eine Unterschrift setzen und bestätigen, dass sie ihr Kind
kontrolliert haben. Und 2020? Nichts. Auch in der ersten Hälfte von 2021
herrschte Ruhe. Kein Wunder, wo sollen sich Kinder, die nur sporadisch zur
Schule gehen und sich an die Abstandsregeln halten müssen, sie auch
herhaben? Schließlich springen Läuse niemals, sondern krabbeln von Kopf zu
Kopf. Und auch jetzt, wo die Schulen wieder geöffnet sind, ist der
Läusealarm noch immer nicht mehr als eine verblassende Erinnerung.
Mit viel Tamtam [1][öffnete in Berlin-Prenzlauer Berg 2018 ein besonderer
Friseur]. Er hieß „Bye bye Läuse“ und versprach, dass hier jedes Kind dank
einer speziellen Heißlufttechnik ohne Parasiten auf dem Kopf rausgehen
würde. Für Preise zwischen 79 und 119 Euro, je nach Haarlänge. „Den gibt es
nicht mehr“, erklärt eine Friseurin, die in derselben Nachbarschaft
arbeitet. Überhaupt habe sie lange keine Läuse mehr gesehen. „Ich wundere
mich aber weniger über die Läuse als über die Mittel, die Leute gegen sie
anwenden.“ Lavendel- oder Olivenöl statt Chemie, das bringe alles gar
nichts, sei aber so ein Ökoding.
Wer zu einem wirkungsvollen Mittel statt zu Hausmitteln greift, dem wird
die Behandlung in Deutschland für Kinder bis 12 Jahren von der gesetzlichen
Krankenkasse bezahlt. Zu den zugelassenen Mitteln gehört Nyda, ein
Läusemittel auf Silikonbasis, das seit 2006 auf dem Markt ist. Mattes
Michelsen, Brand Manager bei Nyda, bestätigt, dass sich die Coronapandemie
mit den Schulschließungen und dem Kontaktverbot auf den Verkauf von
Kopflauspräparaten ausgewirkt hat. Der Umsatzrückgang sei enorm und liege
bei 50 Prozent. Auch jetzt habe sich der Kopflausbestand noch nicht erholt.
Ein Apotheker ein paar Kilometer nördlich vom ehemaligen Läusesalon
bemitleidet das Unternehmen. „Die haben es nicht leicht. Sie stellen neben
Läusemitteln auch Erkältungsmittel her. Und die“ – er legt eine Kunstpause
ein – „verkaufen sich ebenfalls seit Monaten nicht.“
Auch der Erzieher einer großen Kita muss erst mal überlegen, als er auf die
Läuse angesprochen wird: „Ich glaube, unser letzter Ausbruch war im
Oktober.“ Vor der Coronakrise waren sie alle zwei bis drei Wochen damit
gestraft. Was er in diesem Fall tun darf, das legt der Gesetzgeber genau
fest: Den Kopf der Kinder dürfen Lehrer und Erzieher nicht untersuchen,
dazu brauchen sie eine Einwilligung der Eltern. Anders als früher hat eine
Einrichtung, ob Tagesstätte oder Schule, nach Paragraf 18 des
Infektionsschutzgesetzes nicht mehr die Pflicht, den Läusebefall an das
Gesundheitsamt zu melden. Wohl aber müssen die anderen Eltern informiert
werden, die auch Läusekontrolle und eventuelle Behandlung übernehmen
müssen.
Schlimmer als die Läuse selbst sind ihre Begleiterscheinungen: die soziale
Stigmatisierung, die psychologischen Folgen, wenn ein Kind sich ausgegrenzt
fühlt. Eltern tragen dazu ihren Teil bei, wenn sie per Mail- oder
Whatsapp-Verteiler Schuldzuweisungen verschicken. Schnell sind hinter
vorgehaltener Hand die ausgemacht, deren Kinder angeblich immer wieder
Läuse haben. Große Dramen spielen sich um das Thema ab.
Jan Krüger ist erster Vorsitzender der Deutschen Pediculosis Gesellschaft.
Seine Vereinigung kümmert sich um alles rund um die Laus, [2][auf ihre
Webseite] wird bei Ausbrüchen verwiesen, das Robert-Koch-Institut verlinkt
hierher. Es könnte etwas dauern, bis die Laus sich erholt, schreibt Krüger.
„Verschwinden wird sie sicherlich nicht.“
So ist die vergebliche Suche nach der Laus auch ein Indikator für die
sogenannte Normalität: Das Tierchen war ein Problem, das uns in der
Coronahochphase erspart blieb. Krabbeln die Läuse wieder zu Millionen auf
Kinderköpfen, ist das ein Zeichen dafür, dass die härtesten Pandemiezeiten
schon lange vorbei sind.
28 Aug 2021
## LINKS
[1] /Erster-Entlausungssalon-Berlins/!5491375
[2] http://www.pediculosis-gesellschaft.de/die-kopflaus
## AUTOREN
Natalie Tenberg
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