# taz.de -- heute in bremen: „Insgesamt gab es nur drei Überlebende“ | |
Interview Pia Tönnissen | |
taz: Herr Steinbrecher, was bedeutet der Titel? | |
Chris Steinbrecher: Zachor ist Hebräisch und heißt „Erinnere dich!“. Im | |
Prinzip ist es ein Begriff der jüdischen Welt, um nicht zu vergessen. Es | |
ist wichtig, sich die Geschichte immer wieder präsent zu machen, Bezüge zur | |
Gegenwart herzustellen und wach zu bleiben. | |
Was macht die Geschichte von Riga im Kontext des deutschen Überfalls auf | |
die Sowjetunion so besonders? | |
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen im Sommer 1941 wurde in Riga ein | |
Ghetto errichtet, in das etwa 30.000 lettische Juden eingesperrt wurden. | |
Gleichzeitig planten Nazis, Juden aus dem Reichsgebiet Richtung Osten zu | |
deportieren – die Morde in den Vernichtungslagern, wie Auschwitz-Birkenau, | |
begannen erst im Jahr 1942. So erhob man das Rigaer Ghetto zu einem | |
„Reichsjudenghetto“. Um Platz für die Deportierten aus dem Reich zu | |
schaffen, wurden an nur zwei Tagen 25.000 Letten in einem Waldgebiet bei | |
Riga erschossen. Zu den Verbrechen im Osten ist bisher wenig gesagt worden. | |
Welche Beziehung hat Bremen zu Riga? | |
Riga ist eine Partnerstadt von Bremen. Das macht uns auch verantwortlich. | |
Wir müssen uns mit der Geschichte unserer Partner auseinandersetzen. | |
Außerhalb von Riga gibt es nicht viel Material dazu, was dort während der | |
NS-Zeit passiert ist. Deshalb haben wir dort intensiv geforscht. | |
Wie kann man das zeigen? | |
Die Ausstellung setzt sich aus Bildern und Toninstallationen zusammen. Es | |
handelt sich um eine doppelte Ausstellung: gezeigt wird das Projekt „Zwei | |
Tage im Winter“ von Dagmar Calais und die Wanderausstellung „Kulturbrücken… | |
vom Rigaer Ghetto- und Lettischem Holocaustmuseum. Wir wollen Menschen | |
möglichst sensibilisieren. Deshalb hält die Ausstellung einen emotional | |
gefangen. Dort wird nicht übermäßig viel erklärt. Es ergibt ein Gesamtbild, | |
das aus sich selbst heraus wirken soll. Die Ausstellung kann man aber nicht | |
beschreiben. Man muss sie sehen. | |
Um welche zwei Tage handelt es sich? | |
Um den 30. November und den 8. Dezember 1941. Am ersten Tag wurden etwa | |
15.000 Juden auf den etwa neun Kilometer weiten Fußmarsch nach Rumbula | |
geschickt. Bevor sie den Ort erreichten, mussten sie sich ausziehen, bei | |
extrem kalten Temperaturen. Dann wurden sie in eine Grube getrieben. Dort | |
mussten sie sich hineinlegen, teilweise auch auf Leichen, und wurden | |
erschossen. Insgesamt gab es nur drei Überlebende. Obwohl sie von vorne bis | |
hinten belogen wurden, ahnten viele Menschen bei der zweiten Aktion schon, | |
was mit ihnen passieren würde. Insgesamt war es eine unbeschreibliche | |
Situation an den Erschießungsgruben und sehr dramatisch. Dazu gibt es | |
erschütternde Zeitzeugenaussagen. | |
„Zachor – erinnere Dich“: Mo-Sa, 10–18 Uhr, Untere Rathaushalle, bis 10. | |
September | |
24 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
Pia Tönnissen | |
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