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# taz.de -- nordđŸŸthema: Wo Jugendliche erfahren, was sie können
> Die Produktionsschule in Hamburg-Steilshoop fĂŒhrt Jugendliche zur
> Ausbildung oder zum Schulabschluss. Damit soll sie auch dem Stadtteil
> nĂŒtzen
Bild: SchĂŒler:innen haben den Steilshooper Unverpackt-Laden mit aufgebaut
Von Simeon Laux
Steilshoop hat nicht gerade die klassische Klientel fĂŒr einen
„Unverpackt“-Laden. In Hamburgs zentralster Großsiedlung mangelt es an
Kaufkraft. Und doch gibt es einen, am Borchertring, in einem niedrigen
HolzgebĂ€ude abseits der großen Wohnblocks. In dem bunt gefliesten
LadengeschÀft gibt es neben einer farbenfrohen Bonbon-Auswahl Nudeln,
HĂŒlsenfrĂŒchte, Kartoffeln und Weine. Auch ObstsĂ€fte aus der Region, frisch
gebackenes Brot und eine große Auswahl an Cerealien gehören zum Sortiment –
unverpackt, versteht sich. Das Besondere: Hinter der Kasse stehen junge
SchĂŒler:innen der Produktionsschule Steilshoop, die im Laden erste
Arbeitserfahrungen sammeln. Die 16-jÀhrige Charleen ist seit der Eröffnung
im Oktober mit dabei: „Ich habe den Laden mit aufgebaut“, erzĂ€hlt sie
stolz.
Wenige TĂŒren weiter liegt der Friseur- und Stylingsalon der Schule. Mit
gekonnten Handgriffen frisieren Mohammad und Shakhmoos die vor ihnen am
Tisch befestigten Puppenköpfe, begutachten das Werk des jeweils anderen und
beratschlagen sich.
Die beiden Betriebe sind Teil der Produktionsschule Steilshoop. Auch im
Bistro, im Malereibetrieb, in der EDV- und Grafikwerkstatt und der BĂ€ckerei
wird mit UnterstĂŒtzung der AnleitungskrĂ€fte fleißig gearbeitet. Dort können
die SchĂŒler:innen sich ausprobieren und weiterentwickeln. „Fördern und
fordern“, beschreibt Schulleiterin Nadine Neubauer das Konzept. „Wir geben
eine berufliche Orientierung. Bei uns lernen die Jugendlichen, dass sie
mehr können, als sie denken“, sagt sie. „Wir wollen ihnen dabei helfen, das
eigene Selbstbewusstsein und SelbstwertgefĂŒhl zu stĂ€rken.“
Acht Produktionsschulen gibt es in Hamburg. 2009 wurden sie in einer Reform
der beruflichen Bildung eingefĂŒhrt. Sie richten sich gezielt an
schulpflichtige Jugendliche ab der neunten Klasse, die im klassischen
Schulsystem nicht Fuß fassen konnten. „Viele der Kids, die zu uns kommen,
haben Probleme in der Schule oder auch in der Familie“, sagt Neubauer. Die
Jugendlichen werden durch Bildungs-, Betreuungs- und Beratungsangebote auf
den Weg in eine Ausbildung gebracht oder auf den Erwerb des ersten
Schulabschlusses vorbereitet. Denn das Konzept der Produktionsschule sieht
eine Verbindung von Lernen und Arbeiten vor. Neben neben den praktischen
TĂ€tigkeiten gibt es mehrmals die Woche Unterricht.
Neubauer und ihr Team der gemeinnĂŒtzigen Gesellschaft „Alraune“ haben die
Steilshooper Produktionsschule im vergangenem August als neuer TrÀger
ĂŒbernommen. „Alraune“ unterhĂ€lt in Hamburg rund 35 BetriebsstĂ€tten in der
Stadtteil- und Bildungsarbeit und ist insbesondere in Steilshoop aktiv. Die
BetriebsstÀtten der Schule sollen eng an den Bedarfen des dicht besiedelten
Stadtteils ausgerichtet werden – und so auch die Lebensbedingungen vor Ort
verbessern.
Derzeit arbeitet die Schule an einem neuen Projekt: KĂŒnftig sollen das
Steilshooper Tierhaus, das Kindern des Stadtteils den Zugang zu Tieren
ermöglicht, eine Kita und der Unverpackt-Laden der Produktionsschule an
einem gemeinsamen Ort zusammenkommen. Auf dem GelÀnde hat auch die Malerei
der Schule ihren Sitz. Die SchĂŒler:innen, die hier Lackieren, Streichen und
Tapezieren lernen, sind neben externen AuftrĂ€gen auch fĂŒr die
Instandhaltung der SchulrĂ€ume zustĂ€ndig. „Unser Anspruch ist es, durch
Kundenkontakt und tatsÀchliche AuftrÀge einen richtigen Betrieb
herzustellen. So wie im wirklichen Berufsleben“, erklĂ€rt Neubauer beim
Rundgang durch den Malereibetrieb. Draußen in der Sonne gönnen sich die
Profis und ihre SchĂŒtzlinge gerade eine kleine Pause.
Die Coronapandemie habe den Neustart der Produktionsschule nicht gerade
vereinfacht, sagt Neubauer. Die neuen BetriebsstÀtten mussten irgendwie
trotzdem aufgebaut werden. Und auch die praktischen Angebote, die fĂŒr die
SchĂŒler:innen so wichtig sind, konnten nur eingeschrĂ€nkt stattfinden.
Dennoch habe man den Jugendlichen auch in dieser schwierigen Zeit Praxis
vermitteln und sie unterstĂŒtzen können.
Die Produktionsschule sei gefragt, sagt Neubauer. „Wir bekommen unfassbar
viele Anfragen nach freien PlĂ€tzen und sind jetzt schon ĂŒberbelegt.“ Das
zustĂ€ndige Hamburger Institut fĂŒr Berufliche Bildung, das Teil der
Schulbehörde ist, habe der Produktionsschule kĂŒrzlich einige PlĂ€tze
gestrichen. Statt bisher 52 werden derzeit nur noch 44 PlÀtze gefördert.
„Momentan lernen aber schon 47 Kids bei uns und es stehen noch einige
weitere auf der Warteliste“, so Neubauer.
Die PlÀtze seien gestrichen worden, da die Schule im vergangenen Sommer
nicht komplett belegt gewesen sei. Viele Schulen waren aufgrund des
Lockdowns geschlossen oder setzten auf Homeschooling. Daher hÀtten
Stadtteil- und Berufsschulen weniger Jugendliche an die Produktionsschule
vermittelt als ĂŒblich. „Die Behörde ist nicht gerade kooperativ“,
kritisiert Neubauer.
In Steilshoop blickt man dennoch optimistisch in die Zukunft. In den
nÀchsten Wochen soll im Unverpackt-Laden ein eigener Lieferservice an den
Start gehen. Charleen und ihre MitschĂŒler:innen werden dann auf
LastenrĂ€dern unterwegs sein und frische Backwaren, Obst und GemĂŒse auf
Bestellung ausliefern.
14 Aug 2021
## AUTOREN
Simeon Laux
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