# taz.de -- „Nur punktuell aktiv zu sein, reicht nicht mehr aus“ | |
> Das neu gegründete Zentrum Klima-Anpassung soll Kommunen beim Umgang mit | |
> dem Klimawandel beraten. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Walter | |
> Kahlenborn über Hochwasser- und Dürre-Katastrophen und was man dagegen | |
> tun kann | |
Bild: Opfer einer Sturmflut von 2017: Dieser Imbiss an der Ostseeküste steht �… | |
Interview Simeon Laux | |
taz: Herr Kahlenborn, können Maßnahmen zur Klimaanpassung solche | |
Katastrophen wie vor drei Wochen in der Eifel abmildern? | |
Walter Kahlenborn: Anpassungsmaßnahmen können grundsätzlich hilfreich sein, | |
um die Schäden auch bei extremen Wetterereignissen geringer zu halten. | |
Allerdings lässt sich nur spekulieren, inwiefern Anpassungsmaßnahmen im | |
Einzelnen bei den jüngsten Überschwemmungen noch hilfreich gewesen wären. | |
Bei großräumigen Extremniederschlägen wie jüngst lässt sich mit Maßnahmen | |
der privaten Vorsorge oder durch lokale Retention, also der Zurückhaltung | |
von Niederschlagswasser, das Anlegen von Rigolen, also unterirdischen | |
Auffangbecken et cetera, nur begrenzt etwas ausrichten. Um solche | |
Regenmengen in den Griff zu bekommen, bedarf es dann schon umfangreicherer | |
Maßnahmen wie dem Anlegen von Talsperren. Möglicherweise bietet dieses | |
Hochwasserereignis aber auch Anlass für Diskussionen um neue | |
Siedlungskonzepte entlang der Überflutungs-Risikogebiete. | |
Das heißt, ein Restrisiko bleibt bestehen? | |
Ja, gewisse Restrisiken werden wir immer haben. Davor wird uns auch keine | |
Klima-Anpassung schützen können. Aber: Wir können und müssen mit den zu | |
erwartenden Risiken des Klimawandels besser umgehen. Wir müssen sie | |
reduzieren, soweit möglich und sinnvoll. Und da, wo Klimaschäden nicht | |
vermieden werden können, muss etwa über Versicherungslösungen nachgedacht | |
werden. Wir müssen also auch den Versicherungsschutz als Instrument | |
entsprechend verbessern. | |
Sie sprechen gezielt Kommunen an. Warum ist es so wichtig, vor Ort in den | |
Gemeinden aktiv zu werden? | |
Der Klimawandel äußert sich vor allem lokal und das teils sehr | |
unterschiedlich. Im Mittelgebirge sind es die Sturzfluten, im norddeutschen | |
Raum sind die Kommunen von Sturmfluten betroffen und am Oberrhein oder in | |
Ballungsräumen bereitet Hitze ein besonderes Problem. Das kann man gar | |
nicht auf übergeordneter Ebene vollständig lösen. Bund und die Länder | |
können sicher unterstützen, aber letztlich muss sich jede einzelne Kommune | |
genau überlegen, inwiefern sie vom Klimawandel betroffen ist. Habe ich vor | |
Ort ein Fließgewässer, das mir Schwierigkeiten bereiten kann? Trifft die | |
Trockenheit in besonderem Maße die Wälder im Bestand der Kommune oder die | |
lokale Landwirtschaft? Hier kann unser Zentrum Klima-Anpassung dann | |
hilfreich sein. | |
Und wie unterstützen Sie auf diesem Weg? | |
Vertreter*innen aus Kommunen fragen zum Beispiel, wie andere Gemeinden | |
Klima-Anpassung betreiben, welche Konzepte sie haben und wie sie sie | |
umsetzen. Wir können dann erfolgreiche Projekte aus anderen Regionen | |
aufzeigen und einen Austausch vermitteln. Außerdem bieten wir wöchentlich | |
Online-Sprechstunden zu verschiedenen Schwerpunktthemen an. Da geht es dann | |
etwa um Schwammstadt-Konzepte, also die Speicherung von Regenwasser in | |
Städten, oder wie man den naturbasierten Rückbau eines Fließgewässers | |
realisieren kann. Wir beraten aber auch vor Ort, also da, wo die Maßnahmen | |
umgesetzt werden sollen. | |
Sie richten sich auch an soziale Einrichtungen. Inwiefern sind denn | |
Kindergärten und Krankenhäuser von den Folgen des Klimawandels betroffen? | |
Soziale Einrichtungen richten sich vielfach an die mit Blick auf den | |
Klimawandel besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen. Im Falle von | |
Hitzewellen beispielsweise, die ja zu vielen Hitzetoten auch in Deutschland | |
geführt haben, stammen die Opfer vielfach aus den Bevölkerungsgruppen, die | |
älter und gesundheitlich vorbelastet sind. Da sind Krankenhäuser und | |
Seniorenresidenzen etwa besonders angesprochen. Bei existierenden | |
Einrichtungen kann man beispielsweise prüfen, inwiefern sich die | |
Verschattungssituation verbessern lässt, sodass sich die Gebäude weniger | |
aufheizen. Künftig kann man schauen, ob man Seniorenresidenzen etwa | |
verstärkt im Umland ansiedelt, wo es etwas kühler ist. | |
Gibt es Unterschiede bei der Anpassung ans Klima zwischen Stadt und Land? | |
Unterschiede gibt es in diverser Hinsicht schon mit Blick auf die | |
Betroffenheit: Zum einen gibt es in den Städten offenkundig mehr | |
Infrastrukturen, die beschädigt werden können. Zum zweiten heizen sich | |
städtische Ballungsräume stärker auf, der sogenannte Wärmeinseleffekt. Die | |
Unterschiede zwischen Stadt und Umland können schnell mehrere Grad | |
betragen. Umgekehrt leben auf dem Land tendenziell eher ältere | |
Bevölkerungsgruppen, die sensitiver gegenüber der Hitze sind. Unterschiede | |
gibt es aber nicht nur mit Blick auf die Betroffenheit, sondern auch mit | |
Blick auf die Anpassungsmöglichkeiten: Hier sind die Städte grundsätzlich | |
besser aufgestellt, sowohl wirtschaftlich als auch von den | |
Verwaltungsstrukturen her. Deutsche Großstädte haben häufig schon eigene | |
Klimaanpassungspläne. Die Möglichkeiten der Klimaanpassung sind hier also | |
vielfach größer und die Kenntnisse ausgeprägter. | |
Gibt es im Norden andere Bedürfnisse als im Rest der Republik? | |
Wir haben im nordostdeutschen Raum viel mit Trockenheit zu tun, die der | |
Klimawandel unter Umständen weiter verstärken kann. Auf diese | |
Herausforderung müssen sich die Kommunen vorbereiten. Was die künftige | |
Niederschlagssituation anbelangt, sind die langfristigen Prognosen für den | |
norddeutschen Raum tendenziell günstiger als etwa für den Südwesten. Der | |
Meeresspiegelanstieg wiederum betrifft natürlich nur Norddeutschland. | |
Und wie sind wir im Norden derzeit aufgestellt? | |
Hamburg hat schon einiges vorangebracht und ist etwa bekannt für seine | |
Gründachstrategie. Auch bei den weiteren Bemühungen in Richtung eines | |
Schwammstadt-Konzeptes ist Hamburg recht weit: also anfallendes Regenwasser | |
lokal in der Stadt aufzunehmen und zu speichern. Auch Bremen hat eine | |
eigene Strategie zur Klimaanpassung und Hannover ist ebenfalls aktiv und | |
versucht jetzt auch als Region Hannover in die umliegenden Kommunen hinein | |
zu wirken und die erzielten Erkenntnisse vermehrt ins Umland zu tragen. | |
Und was ist mit den Küsten? Immerhin ist der Meeresspiegel laut nationalem | |
Klimareport auch in Deutschland deutlich angestiegen, in der Deutschen | |
Bucht um rund 41 Zentimeter in den vergangenen 170 Jahren. | |
Die betroffenen Länder sind seit geraumer Zeit dabei, sich auf einen | |
Anstieg des Meeresspiegels vorzubereiten und bauen ihre Deiche entsprechend | |
aus. Das nimmt man in der Bevölkerung sicherlich am meisten wahr. Ganz | |
wichtig sind aber auch verschiedene weitere Maßnahmen zum Küstenschutz: Der | |
Ausbau von Wellendämpfern, von Sandbänken, von Erosionsschutzstreifen oder | |
die Schaffung sogenannter Lahnungsfelder, die als Uferschutzanlagen dienen. | |
Es geht darum, Wattflächen wiederzugewinnen, die sonst vom Anstieg des | |
Meeresspiegels bedroht werden. Hier kann man also mit naturbasierten | |
Maßnahmen arbeiten, um die naturraumtypische Ufervegetation zu stärken. | |
Wir befinden uns also auf einem guten Weg? | |
Es gibt schon seit einigen Jahren verschiedenste Pilotprojekte aus Politik | |
und Verwaltung oder auch Initiativen aus der Gesellschaft heraus. Es gilt | |
nun, daran anzuknüpfen. Nur punktuell aktiv zu sein, reicht nicht mehr aus. | |
Wir müssen in die Breite hinein wirken und auch die Kommunen auf dem | |
flachen Land erreichen, die sich mit dem Thema Klimawandel bisher nicht | |
auseinandersetzen konnten, weil ihnen dazu schlicht die Ressourcen fehlten. | |
Dabei wird das Zentrum Klima-Anpassung künftig eine wichtige Rolle spielen. | |
7 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
Simeon Laux | |
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