| # taz.de -- heute in hamburg: „Das Höchstmaß wären 20 Jahre Haft“ | |
| Interview Pascal Luh | |
| taz: Herr Beigui, Sie sind als Kapitän des Seenotrettungsschiffs „Iuventa“ | |
| angeklagt worden. Auf welcher Grundlage? | |
| Dariush Beigui: Der Vorwurf lautet „Beihilfe zur illegalen Einreise“. Die | |
| Staatsanwaltschaft in der italienischen Hafenstadt Trapani hat von | |
| September 2016 bis März 2021 gegen ehemalige Crewmitglieder der „Iuventa“ | |
| ermittelt. Jetzt haben sie beschlossen, dass sie genug Beweise gesammelt | |
| haben, um Anklage zu erheben. Für uns ist das ganz klar ein politischer | |
| Schauprozess in einer langen Reihe von Prozessen. Wir haben uns immer an | |
| geltendes Recht und die Instruktionen italienischer Behörden gehalten bei | |
| den Rettungen. | |
| Es gibt weitere Prozesse? | |
| Es wurden diverse andere NGOs angeklagt. Es gibt inzwischen in ganz Europa | |
| Prozesse gegen Menschen, die sich solidarisch zeigen mit Menschen auf der | |
| Flucht. In den letzten fünf Jahren waren das über 200. Auch verschiedenste | |
| Seenotrettungsorganisationen wurden schon angeklagt, sei es Open Arms aus | |
| Spanien, sei es Sea Watch, deren Schiffe immer wieder beschlagnahmt werden. | |
| Wieso passiert das? | |
| Zur Abschreckung. Menschen auf der Flucht soll nicht geholfen werden, bei | |
| dem Versuch nach Europa zu kommen. Das ist meiner Meinung nach das Ziel. | |
| Amnesty International hat Ihrer Crew 2020 den Menschenrechtspreis | |
| verliehen. Das ändert nichts an dem Urteil? | |
| Nein. Da ist die italienische Staatsanwaltschaft sehr renitent. Es gibt | |
| verschiedene Institutionen, wie der UNHCR der Vereinten Nationen, die sich | |
| auf die Seite der privaten Seenotrettung schlagen. Aber das alles | |
| interessiert weder Italien noch andere Staaten. | |
| Was würde Ihnen im Falle einer Verurteilung drohen? | |
| Das Höchstmaß für die Strafe wären 20 Jahren Haft. Plus eine hohe | |
| Geldstrafe, da man pro Person, der man geholfen hat illegal einzureisen, | |
| zahlen muss. | |
| Und sie machen trotzdem weiter? | |
| Selbstverständlich! Solange Leute sich in Lebensgefahr begeben müssen, will | |
| ich versuchen zu verhindern, dass Menschen ertrinken. Niemand hat das | |
| verdient. | |
| Also muss die Arbeit getan werden? | |
| Ja. Die Menschen müssen sich auf diese Boote begeben, weil Europa ihnen | |
| eine sichere Einreise verwehrt. Das ist ja nicht illegal, jeder Mensch hat | |
| nach der Genfer Konvention und der EU-Charta das Recht, nach Europa zu | |
| kommen und Asyl zu beantragen. Es gibt keine illegale Einreise. Sie werden | |
| gezwungen, diese lebensgefährliche Route zu benutzen. Solange das der Fall | |
| ist, werde ich weiter dafür kämpfen, dass die Menschen sich nicht mehr in | |
| Lebensgefahr begeben müssen. | |
| 13 Aug 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Luh | |
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