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# taz.de -- berliner szenen: Der erste Supermarkt Berlins
Manchmal entwickeln sich die Koordinaten eines Spaziergangs erst im Gehen.
Unseren Startpunkt hatte ich noch gut gewählt. Ariel war begeistert von dem
Schmuckplatz im pingeligen Wilmersdorf. Danach kamen wir an den
umgestalteten Olivaer Platz. Ich schwang mich zum Stadtführer auf, zeigte
auf zurückgeschnittene Büsche, die offene Wiese und mediterrane Mäuerchen,
sagte: Früher wurde hier gedealt. Ein zweites Mal war Ariel nicht zu
blenden. Die Frage ist doch, wo dealen sie jetzt, foppte er mich
schmunzelnd. Auf dem Walter-Benjamin-Platz, den ich für eine steinerne
Zumutung hielt, gefielen Ariel die aufgehängten Regenschirme. Unweit der
Giesebrechtstraße dann das erste Etappenziel: die ehemalige Wohnung von
Ariels Urgroßvater. Das originale Haus in der Waitzstraße 22 war einem
schlichten Sechzigerjahrebau gewichen, der vor Corona ein Pornokino
beherbergte. In den Räumen hatten sich Sprayer ausgetobt, wie man durch die
eingeschlagenen Fenster sah. Vielleicht hat hier einst, sagte Ariel leicht
gerührt, der erste Supermarkt Berlins gestanden. Jedenfalls besagt das eine
Familienlegende. Und von der Größe könnte das Grundstück passen. Wir
wanderten weiter durch die Pestalozzistraße. Ich merkte, dass er sich nach
einem Café umsah, gleichzeitig immer wieder betonte, Charlottenburg sei
groß. Weil es kein weiteres Etappenziel gab, mäanderten wir hinter der
Deutschen Oper durch Parkähnliches, querten die Röntgenbrücke und
strandeten in einem wüsten Industriegebiet. Heilfroh erreichten wir bei
Kilometer 8 einen Bus, der uns zurück nach Berlin brachte. Hätte ich doch
deine Einladung am Ludwigkirchplatz angenommen, stöhnte Ariel, in dieses
Instagram-Café zu gehen! Als wir schließlich wieder vor dem Café standen,
wurde die Kuchenauslage gerade geputzt.
Timo Berger
12 Aug 2021
## AUTOREN
Timo Berger
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