# taz.de -- heute in hamburg: „Reiche Erben müssen etwas abgeben“ | |
Interview Pascal Luh | |
taz: Herr Ridder, „Wer hat, der gibt“, das klingt nach Robin Hood, oder | |
nicht? | |
Ansgar Ridder: „Wer hat, der gibt“ als Name ist abgeleitet von dem Satz | |
„Wer hat, dem wird gegeben“. Das ist unsere Gesellschaftsanalyse, dass in | |
den letzten Jahrzehnten den Leuten, die viel haben, immer mehr gegeben | |
wurde, zum Beispiel über steuerliche Erleichterungen. Im Rahmen der Krise | |
und der immer weiter wachsenden Ungleichheit muss das umgedreht werden. | |
Dann muss es heißen: „Wer hat, der gibt“. Die Reichen müssen sich an der | |
Finanzierung unserer Gesellschaft angemessen beteiligen. | |
Um das zu erreichen, hat Ihr Bündnis einen offenen Brief an die | |
Bundesregierung geschrieben. Was steht darin? | |
Wir fordern eine Erbschaftssteuer und eine Vermögenssteuer. Außerdem eine | |
einmalige Vermögensabgabe, um die Kosten der Coronakrise zu decken. Es | |
kann nicht sein, dass die Krisenlast auf die Arbeits- und Werktätigen | |
abgewälzt wird. | |
Wie kann das verhindert werden? | |
Verstaatlichung – oder besser gesagt Entprivatisierung – kann ein Mittel | |
dazu sein. Im privatisierten Gesundheitssystem sieht man zum Beispiel | |
deutlich, dass das System weder den Patienten noch den Angestellten dient, | |
sondern dass damit Profit gemacht wird. Mit dieser Praxis sollte Schluss | |
sein. | |
Sie spielen auf den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser an den | |
Asklepios-Konzern an. | |
Nicht nur – unter dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust | |
(CDU) wurden viele städtische Gebäude an private Investoren veräußert, um | |
den Haushalt zu sanieren. Heute sitzen Hamburger Behörden wie die | |
Finanzbehörde zum Beispiel wieder in diesen Gebäuden, nur müssen sie jetzt | |
Miete zahlen. Das Prinzip „Mehr Privatisierung ist besser für alle“ ist | |
Quatsch. | |
Haben Vermögende kein Anrecht auf ihr Vermögen? | |
Man muss sich klar machen, dass große Vermögen nicht in einem Arbeitsleben | |
erwirtschaftet werden können. Der Amazon-Chef Jeff Bezos hat sich nicht | |
allein 200 Milliarden erarbeitet. So ein Vermögen besteht immer aus der | |
Arbeit von Angestellten und gesellschaftlicher Vorarbeit. Deutsches | |
Vermögen liegt beispielsweise auch häufig bei Familienunternehmen, die es | |
seit Generationen hin- und her schustern. Da ist die Frage, inwiefern ein | |
Erbe ein Anrecht auf das Vermögen hat. Erbe ist klassisches leistungsloses | |
Einkommen. Aber wenn wir von einer leistungsgerechten Gesellschaft | |
sprechen, sollten Arbeiter*innen eine elementare Rolle spielen. Deswegen | |
finde ich, dass reiche Erben etwas abgeben müssen. | |
Enteignung wird nicht konfliktfrei vonstatten gehen. Wie stellen Sie sich | |
das vor? | |
Unser Kernanliegen ist Besteuerung. Das ist in der Hinsicht keine Form von | |
Enteignung. Es ist die Aufgabe des Staates, solche Steuern praktikabel zu | |
machen. Es ist ein Unrecht, dass Vermögen nicht angemessen besteuert wird | |
und Einkünfte aus Vermögen nicht in dem Maße besteuert werden wie Einkünfte | |
aus Arbeit. Generell sollte man bedenken, dass relativ häufig enteignet | |
wird, um zum Beispiel Platz für Kohletagebauten zu machen. Dabei gibt es | |
auch Beispiele, bei denen Enteignungen wirklich der Gesellschaft nutzen | |
können wie das Berliner Projekt „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. | |
Dabei wird versucht, die größte Wohnungsgesellschaft Berlins über einen | |
Volksentscheid zu vergesellschaften. Wieso ist so etwas notwendig? | |
Gesellschaftliche Ungleichheit zieht einen enormen gesellschaftlichen | |
Schaden nach sich. Die Finanzierung von Krisenlasten sollte von denen | |
gestemmt werden, die am meisten von ihnen profitieren. | |
Sind die Corona- und die Klimakrise im Moment nicht wichtiger? | |
Das ist genau das Problem. In Krisen zeigt sich die Ungleichheit und der | |
gesellschaftliche Bruch besonders stark. Die Parteien müssen die soziale | |
Frage neben der Klimafrage zentraler aufnehmen. | |
12 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
Pascal Luh | |
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