# taz.de -- Die Probe in den Zeiten der Pandemie | |
> Das Uni-Theater inCognito kann diese Woche mit Sartres Anti-Kriegs-Stück | |
> „Die Troerinnen des Euripides“ Premiere feiern. Gelungen ist das trotz | |
> widrigster Umstände: vom Theater spielen mit Maske, Distanz – und ohne | |
> komplette Besetzung | |
Bild: Der Schmerz der Troierinnen offenbart sich auch mit Maske: Probe des Stud… | |
Von Jasmin Koepper | |
Ein junger braunhaariger Student schlurft hinter dem weißen Vorhang hervor. | |
Er zieht eine leere Plastiksandmuschel an einem dünnen Tau über seiner | |
Schulter hinter sich her. In seinem Gesicht sitzt eine dicke blaue | |
Taucherbrille und er trägt eine knatschorangene Schwimmweste. „Ich, der | |
Gott des Meeres – Poseidon“, ruft er mit herrischer Stimme, „komme, um die | |
Trümmer Trojas anzuschauen.“ | |
Es ist Probe des Theaters inCognito an der Uni Bremen. Eine besondere | |
Probe, denn es ist eine der ersten mit voller Besetzung – zwei Wochen vor | |
der Premiere. Seit Herbst letzten Jahres erarbeiten 16 Studierende das | |
Stück „Die Troerinnen des Euripides“. Möglich war das nur mit einem | |
speziellem Coronakonzept, viel Motivation und Durchhaltevermögen. | |
„Wir wollten unbedingt, dass dieses Jahr ein Theaterstück auf die Bühne | |
kommt“, sagt Franz Eggstein. Zusammen mit Roland Klahr leitet er seit 2010 | |
das Theater inCognito an der Universität Bremen. | |
Das aktuelle Stück „Die Troerinnen des Euripides“ erzählt vielschichtig u… | |
dramatisch die Geschichte der hinterbliebenen Frauen nach der Zerstörung | |
Trojas durch die Griechen. | |
Die Castings und die gesamte Vorbereitung mussten online stattfinden. Von | |
November bis Februar war erst mal nicht klar, ob es überhaupt weitergehen | |
kann. „Nach langen Kämpfen haben wir im Februar den Status eines Labors | |
bekommen“, berichtet Eggstein. Ab dann durften sich maximal fünf Personen | |
im 300 Quadratmeter großen Theatersaal aufhalten – also drei Studierende | |
und die beiden Regisseure. Und auch das nur mit Maske, Test und | |
Frischluftanlage. Für viele war es die einzige Präsenzveranstaltung des | |
Semesters an der Uni. | |
„Das Stresslevel war hoch“, sagt Maic Wredhe, der Menelaos, den König von | |
Sparta, spielt, „Gerade im Frühjahr gab es eine richtige Durststrecke.“ Von | |
den 35 Studierenden zu Beginn des Semesters sind nur noch 16 übrig: zehn | |
spielen auf der Bühne, vier gestalten das Bühnenbild und zwei kümmern sich | |
um die Technik und Werbung. | |
In den Proben konnten immer nur einzelne Szenen gespielt werden. „Das war | |
schon sehr komisch, die Hälfte vom Stück nicht gesehen zu haben“, sagt | |
Niclas Weise, einer der Schauspieler, „Man weiß nicht, welche Stimmung | |
herrscht, wenn man die eigene Szene spielt.“ Teilweise sei auch nur die | |
halbe Besetzung da gewesen. „Es war alles viel zeitintensiver und | |
komplizierter“, sagt Lina Köllning, die Hekuba, eine der weiblichen | |
Hauptrollen, spielt. Die Gruppendynamik habe gefehlt. Normalerweise hätten | |
das erste halbe Jahr Kennlernspiele und Bühnentraining stattgefunden. „Das | |
ist alles weggefallen.“ Einige kannten sich nur aus dem gemeinsamen | |
Onlineplenum. | |
Vergangene Woche haben sich die Studierenden dann zum ersten Mal in voller | |
Besetzung im Theater gesehen. Die ersten gemeinsamen Proben hätten | |
„überraschend gut geklappt“, sagt Lucas Warnecke, der Poseidon spielt. „… | |
freuen uns so darauf zusammenzukommen.“ Da entwickle sich der Zusammenhalt | |
„schneller, als man gucken kann“. Jeder helfe dem anderen: „Wir spielen | |
zusammen – auch mit Abstand.“ | |
Auch die Stückauswahl wurde von den Pandemiebedingungen beeinflusst. „Die | |
Troerinnen des Euripides“ von Jean Paul Sartre kann mit Distanz gespielt | |
werden. Es gibt viele Monologe und wenig Bewegung. „Eigentlich ist das kein | |
Stück, was man mit einer Amateurgruppe macht“, sagt Eggstein, „aber wir | |
haben einige Talente hier in der Gruppe.“ | |
Die Studierenden schaffen es in den langen Monologen, lebendig und spannend | |
die Innenwelt der Figuren auszudrücken. Dabei wechseln die Emotionen | |
zwischen Trauer, Verzweiflung, Wut und Wahnsinn. Es werden Existenz- und | |
Glaubensfragen berührt. | |
Während des blutigen Kolonialkriegs der Franzosen in Algerien hat | |
Schriftsteller und Philosoph Jean-Paul Sartre das über 2.400 Jahre alte | |
Originalstück von Euripides überarbeitet und 1962 auf die Bühne gebracht. | |
Er schuf daraus ein Anti-Kriegs und Anti-Kolonialstück. Es offenbart die | |
Sinnlosigkeit des Krieges, in dem Kinder getötet und Frauen verschleppt | |
werden von Männern, die das Grauen selber nicht ertragen. | |
Das Bühnenbild ist noch nicht ganz fertig. Auf den Boden kommt ein | |
sandfarbener Teppich und darauf werden pyramidenartige Körper aufgestellt, | |
deren Formen an das Anti-Kriegsbild „Guernica“ von Picasso erinnern. Auf | |
die Oberfläche sollen Kriegsbilder aus Aleppo projiziert werden, die durch | |
die gebrochene Oberfläche verfälscht werden. | |
Nach der Probe versammeln sich die Studierenden auf der Bühne, quatschen | |
und lachen miteinander. „Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl hat gefehlt. | |
Dass man sich untereinander hilft, mal zusammen Text lernt oder spontane | |
Proben hat“, sagt Lina Köllning. Die Pandemiebedingungen seien ein | |
richtiger Widerstand gewesen, erinnert sich Maic Wredhe. Aber man arbeite | |
gemeinsam an einer großen Sache: „Deswegen spielt man Theater, um etwas zu | |
machen, was größer ist als man selbst.“ | |
Die Troerinnen des Euripides, Theater inCognito, feiert am 27. Juli, um 20 | |
Uhr Premiere. Weitere Aufführungen täglich bis zum 31. 07. zur gleichen | |
Uhrzeit; Tickets für 7 bis 11 Euro gibt es online unter | |
theaterincognito.de/karten | |
26 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Koepper | |
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