# taz.de -- „Richtig ankommen“ | |
> Manche Geflüchtete von 2015 leben noch in Unterkünften. Sie sitzen damit | |
> dauerhaft auf gepackten Koffern, sagt Alena Thiem von der „Wohnbrücke | |
> Hamburg“ | |
Interview Sarah Mahlberg | |
taz: Frau Thiem, was ändert sich für Geflüchtete, die in eine eigene | |
Wohnung umziehen? | |
Alena Thiem: Die erste eigene Wohnung ist der Ort, wo man richtig ankommen | |
kann. Manche Menschen wohnen mehrere Jahre in einer Unterkunft, haben sich | |
arrangiert, die Kinder gehen in der Nähe zur Schule und plötzlich schließt | |
die Unterkunft und sie werden ans andere Ende der Stadt versetzt. Nicht | |
mehr auf gepackten Koffern sitzen zu müssen, ist wohl die größte | |
Erleichterung der eigenen Wohnung. | |
Die Wohnbrücke bringt seit 2015 Vermieter*innen und Menschen aus | |
Flüchtlingsunterkünften zusammen. Gibt es Geflüchtete von damals, die noch | |
im Flüchtlingsheim wohnen? | |
Ja. In der öffentlichen Unterbringung in Hamburg leben derzeit 12.739 | |
Wohnberechtigte, bei denen das Asylverfahren schon durch ist. Manche wohnen | |
seit 2015 dort. | |
Wer ist besonders betroffen? | |
Hamburg ist eine Single-Hochburg. Alleinstehende Geflüchtete haben es | |
besonders schwer. Aber ich kenne auch Familien, die schon lange in der | |
Unterkunft leben, aktiv auf Wohnungssuche sind, bei denen aber das letzte | |
Quäntchen Glück gefehlt hat. Andere haben beim ersten Wohnungsangebot schon | |
Erfolg. Das ist sicher frustrierend, selbst in der Unterkunft zu bleiben, | |
und neue Nachbarn ziehen ein und direkt wieder aus. | |
Wo bringt die Wohnbrücke die Geflüchteten unter? | |
Das ist breit gefächert. Von Villengegenden wie Hummelsbüttel oder | |
Blankenese über die Isestraße bis hin zur Veddel. | |
Welche neuen Herausforderungen birgt das Leben in der eigenen Wohnung? | |
Wohnen ist überall auf der Welt anders. Viele der Familien haben früher im | |
Eigenheim gewohnt und sorgen sich jetzt, dass die Kinder im | |
Mehrfamilienhaus die Nachbarschaft stören könnten, weil die Deutschen als | |
so leise gelten. Ganz typisch ist auch die Frage, wer wen willkommen heißt. | |
Warum ist das wichtig? | |
In Syrien zum Beispiel backen die Neuen Kekse und Kuchen und die | |
Alteingesessenen klopfen an die Tür und man bittet sie herein. Hier macht | |
man als Neuer eher die Runde durch das Treppenhaus und klopft an. Wenn man | |
über so was nicht spricht, kommt am Ende niemand miteinander in Kontakt. | |
Unsere ehrenamtlichen Wohnungslots*innen leisten da wertvolle Arbeit. | |
Welche Probleme gibt es auf dem Wohnungsmarkt? | |
Hamburger Vermietende können sich aussuchen, an wen sie ihre Wohnung geben | |
möchten. Viele wollen, dass die Menschen sich selbst finanzieren, was | |
Alleinstehende besser hinkriegen als Familien mit drei Kindern. Es sind | |
einfach viele Menschen dazugekommen, die Wohnraum brauchen. 2015 war die | |
Not besser spürbar und dadurch auch die Hilfsbereitschaft größer. Heute | |
schläft zum Glück niemand mehr in Turnhallen, aber die Not ist noch da. | |
17 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Sarah Mahlberg | |
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