# taz.de -- Manchmal schaut ein Wolf vorbei | |
> Wenn man wissen will, ob es dem Wald richtig gut geht, muss man sich auch | |
> nach den Tieren umsehen | |
Von Anna Bordel | |
Ganz frisch ist das weißliche Holz, das an den Bissspuren zu sehen ist. | |
Vielleicht hat der Biber noch vor Kurzem an dem Stamm genagt und möchte zur | |
nächsten Dämmerung weitermachen. Oder er hat sich für ein einfacheres | |
Vorgehen entschieden. Nur wenige Meter weiter ist das Werk an einem | |
schmalen Jungbäumchen bereits vollendet, das liegt gefällt am Boden, der | |
Stamm ist durchgenagt. | |
Die Uferbereiche der Dahme im Berliner Südosten in Grünau sind nicht die | |
einzigen, an denen Biber in Berlin heimisch sind. Sie wohnen mittlerweile | |
in der ganzen Stadt, sagt Derk Ehlert, Wildtierreferent des Berliner | |
Senats. Um die Frage zu beantworten, wie es dem Berliner Wald geht, reicht | |
es nicht, auf die Bäume zu schauen (siehe Text oben). Es braucht auch den | |
Blick auf die Tierwelt in den Berliner Wäldern, um zu sehen, ob das | |
Ökosystem intakt ist. | |
Manche Arten wie das Wildschwein, das sich trotz Bejagung sehr stark | |
vermehrt, und eben auch der Biber haben die vergangenen Jahre gut | |
überstanden – trotz des veränderten Klimas und der vielen Menschen, die | |
pandemiebedingt zuletzt noch häufiger in den Wald gegangen sind. Tiere, die | |
in einer Großstadt leben, und sei sie noch so grün, müssen sich anpassen | |
und an die Nähe zu Menschen gewöhnen, erklärt Ehlert. | |
Biber können das offenbar. Etwas mehr als 100 Tiere gebe es mittlerweile. | |
Ihn zu bejagen sei übrigens nicht nötig, erklärt Ehlert. Der Biber schadet | |
dem Wald nicht, sondern er schützt Uferbereiche davor, zu stark | |
zuzuwachsen. So bekommen Bäume mehr Licht und Wasser, können ihr Wurzelwerk | |
besser ausbreiten, was wiederum Erosionen verhindert. Seine Population | |
reguliert der Biber ebenfalls selbst. Sie haben ein starkes | |
Revierverhalten, sind es zu viele Tiere, gibt es Streit und der Verlierer | |
muss sich anderswo ein Revier suchen. Gibt es keine weiteren geeigneten | |
Orte mehr, reagiert der Biber darauf mit weniger Nachwuchs. Seit etwa zwei | |
Jahren stagniere die Zahl der Tiere in Berlin. | |
In den letzten Jahren freute sich der Wildtierexperte über noch zwei | |
weitere Arten, die zurück in die Hauptstadt geflogen sind: der Seeadler und | |
der Wespenbussard. Dass der Wespenbussard wieder in Berlin heimisch ist, | |
freut Ehlert deshalb besonders, weil der sich hauptsächlich von Insekten | |
ernährt. Seine Anwesenheit bedeutet also, dass Berlin davon einige zu | |
bieten hat. | |
Seine schönste Wildtierbegegnung aber, sagt Ehlert, sei im Pankower Forst | |
die mit einem Eichenheldbock gewesen. Das ist keine besondere Rehwildart, | |
sondern ein Käfer. Die leben fünf Jahre lang in einer alten Eiche, die | |
weitestgehend frei stehen muss, um viel Sonnenlicht abzubekommen. Im Mai | |
oder Juni kommt der Käfer heraus und klopft auf den Stamm, um ein Weibchen | |
anzulocken. Nach der Paarung stirbt er. „Das Klopfen dieses | |
hochspezialisierten Tieres selber zu hören, das war schon etwas | |
Besonderes“, so Ehlert. | |
Für viele Wildtierarten kann Berlin schon problematisch sein. Nicht alle | |
Waldbesucher:innen bleiben so immer auf den ausgewiesenen Wegen. | |
Während Füchse oder Waschbären zufrieden ihr ganzes Leben inmitten von | |
Autos, Häusern und Mülleimern verbringen können, mögen andere Arten das | |
eher nicht. | |
Sie ziehen sich dann weit in die Wälder zurück, und wenn das nicht reicht, | |
flüchten manche aufs Land. Das sei schwierig und teils gefährlich, so | |
Ehlert, da Ackerflächen häufig intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, | |
was nicht selten giftig für die Tiere ist. | |
Der Wolf, der die Wildheit eines Waldes auszeichnet, wenn er sich dort | |
ansiedelt, macht meist einen Bogen um Berlin. Sicher würde manchmal und | |
kurzzeitig ein Wolf Berlins Wälder kreuzen oder Rast machen, sagt Ehlert. | |
Durch die Aufnahme einer Wildtierkamera weiß er, dass vor eineinhalb Jahren | |
eine Wölfin im Südosten Berlins Pause gemacht hat. Es gebe außerdem den | |
Verdacht, dass ein Tier hin und wieder zu Besuch käme. | |
Aber bleiben wollen die Wölfe nicht, dafür sind sie zu wild und der | |
Berliner Wald wohl doch zu gezähmt. | |
26 Jun 2021 | |
## AUTOREN | |
Anna Bordel | |
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