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# taz.de -- heute in bremerhaven: „Es wurde einfach blind weitergefischt“
taz: Frau Schöttner, ist es noch zeitgemäß, Matjestage zu veranstalten?
Sandra Schöttner: Aus kulturhistorischer Sicht vielleicht, aber aus
ökologischer Sicht nicht. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, wo es den
Heringsbeständen gut geht – in der Ostsee noch weniger als in der Nordsee.
Und es wäre ignorant, das nicht anzusprechen. Da dürfen wir nicht an einer
Tradition festhalten, die mit dafür verantwortlich ist. Es braucht ein
Umdenken, am besten schon vorgestern.
Braucht es mehr Aufklärung?
Unbedingt. Bei Matjestagen sollte es natürlich um Gaumenfreude und Genuss
gehen. Bewussten Konsum unterstützen wir. Aber die Folgen unseres Handelns
in der Natur müssen mit beleuchtet werden: In Zukunft wird es solche Tage
vielleicht nicht mehr geben, wenn es kaum noch Hering gibt.
Welche Rolle spielt der Matjes für die Heringsbestände?
Das Grundproblem ist nicht nur, dass der Fisch zu viel, sondern auch zu
früh gefischt wird, bevor er gelaicht hat. Wenn die Bestände stabil sind,
ist die saisonale Befischung von Jungtieren nicht schlimm. Aber die letzten
15 Jahre waren eine Katastrophe. Es wurde einfach blind weitergefischt und
die Bestände sind in einem besorgniserregenden Zustand. Da spielen auch
noch Überdüngung und vor allem der Klimawandel mit rein.
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel?
Die Meere heizen sich auf, besonders auch die Ostsee, weil sie ein
abgeschlossenes Gewässer ist. Der Hering laicht früher und auch die Larven
schlüpfen früher, weil dieser Vorgang von der Temperatur abhängig ist.
Allerdings ernähren sich die Larven von kleinsten Krebstierchen und die
wiederum von Algen, die abhängig vom Licht wachsen. Wir haben wärmere
Winter, aber das Licht bleibt immer gleich. Viele Larven verhungern, weil
das Nahrungsangebot noch nicht da ist.
Worauf muss ich achten, wenn ich Matjes kaufe?
Hering aus der Ostsee: bitte Finger weg! Bei Hering aus der Norwegischen
See kann man noch zugreifen. Aber je näher es an Deutschland, Dänemark und
die Niederlande kommt, desto weniger sollte man das kaufen.
Was muss sich ändern?
Es braucht eine konsequente Einrichtung von Schutzgebieten, damit sich die
Fischbestände erholen können. Und es gibt klare Empfehlungen aus der
Wissenschaft, die Fischerei des Herings in der Ostsee zu stoppen. Der
Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) fordert für die nächste
Saison einen Fangstopp. Ob sich das politisch durchsetzt, entscheidet sich
zum Jahresende hin.
Was kann ich denn selber tun?
Die Verantwortung liegt auch bei den Konsumenten. Die Entscheidung trifft
man im Supermarkt, die trifft man bei Matjestagen und die trifft man an der
Wahlurne.
10 Jul 2021
## AUTOREN
Jasmin Koepper
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