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# taz.de -- berliner szenen: Wenn Brachen weichen
Du Engländer“ polterte einer der sturzbetrunkenen Männer an einem Mülleimer
vor dem Bahnhof Südkreuz einem anderen zu, mit dem er wohl einen Disput
ausfocht und der rasch im Wimmelbild der auf den 106er Wartenden
untertauchte. Ich kam gerade aus Fürstenberg. Zurück in der hektischen
Realität, fiel mir plötzlich auf: Es ist noch keine Ode auf den
Hildegard-Knef-Platz gesungen, wie dieser unwirtliche Bahnhofsvorplatz laut
offiziellen Plänen heißt, auf den mich die Regionalbahn 5 gerade ausgekotzt
hatte. Schon schraubten sich neue Bürotürme in die Höhe und imitierten in
ihren Fassaden nicht nur die filigrane Struktur des Gasometers, die durch
den jüngst beschlossenen Innenausbau bald Geschichte sein wird, sondern
begruben unter sich auch das letzte Stück Brache, auf dem hier noch vor
wenigen Jahren nicht nur Elektroschrott wild entsorgt wurde, sondern
bisweilen auch ein Zirkus die Zelte aufschlug, neben einem durch Gestrüpp
und Glassplitter abgeschotteten Hochplateau. Ich erinnere mich, dass ich in
dieses damals noch ziemlich abgefuckte Viertel zog, diesen Hügel mehrmals
erklomm und mir einige Schrammen zuzog, weil ich abrutschte, in Dornen
hängen blieb. Oben beobachtete ich eine ältere Frau, die ihren Hund begrub,
ein Paar, das im wahrsten Sinne des Wortes dreckigen Sex hatte und mehrere
Menschen, die sich hastig Dinge zusteckten und auseinanderstoben.
Die Brache an der General-Pape-Straße war the Far West. Und im Grand Canyon
der Stadtautobahn toste der Verkehr. Heute ist da Dauerstau und dennoch
rieselt Kupplungsabrieb auf neue mediterran terrassierte
Eigentumswohnungen, einen Edelgrill, der einen Tag nach der
Gasometerausbauentscheidung mit vielen Politpromis eröffnete. Jeglicher
Zusammenhang ist konstruiert. Timo Berger
8 Jul 2021
## AUTOREN
Timo Berger
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