# taz.de -- „Die Werbung verharmlost Wetten“ | |
> Spielgeld (4) Spieler haben bei Sportwetten eine Kontrollillusion. Sie | |
> glauben, dass sie aufgrund ihrer Sportkenntnisse nicht auf das Glück | |
> angewiesen sind, sagt der Psychologe Gerhard Meyer. Prävention fehle | |
Interview Emmy Thume | |
taz: Herr Meyer, warum sind Sportwetten gefährlich? | |
Gerhard Meyer: Weil es ein Glücksspiel ist. Es spricht Menschen an, die | |
glauben, mit ihren sportlichen Kenntnissen Geld gewinnen zu können. Das ist | |
allerdings eine Kontrollillusion, die dazu führen kann, dass die | |
Glücksgefühle im Falle des Gewinnens die Entwicklung von Suchtphänomenen | |
fördern. Die Betroffenen wollen sich über die Sportwetten immer wieder in | |
diesen positiven Gefühlszustand versetzen. Hinzu kommt, dass sie versuchen, | |
durch erneute Einsätze Verluste wettzumachen. | |
Sie rutschen in einen Teufelskreis. | |
Gerade bei Spielformen, bei denen immer wieder neue Ereignisse bewettet | |
werden können, führt die hohe Frequenz dazu, dass Verluste kaum erlebt | |
werden, weil sofort die nächste Wette platziert werden kann, um in den | |
Gewinnmodus zu kommen. | |
Wie kann es dann sein, dass die TV-Werbung dazu immer noch so prominent | |
läuft? | |
Das ist stark zu kritisieren. Denn über die Werbung, in der das Zocken auf | |
Sportereignisse durch den Auftritt prominenter Sportler als harmlos und | |
alltäglich verkauft wird, wird die Botschaft vermittelt, dass es sich um | |
ein Freizeitvergnügen handelt. Das fördert die soziale Akzeptanz und rückt | |
es in die Mitte der Gesellschaft. Dabei ist es bei Weitem nicht harmlos: | |
430.000 Bundesbürger gelten als problematische Spieler, deren Verluste | |
einen Großteil der Bruttospielerträge ausmachen. Der Anteil der süchtigen | |
Sportwetter, die Hilfe in den ambulanten Beratungsstellen gesucht haben, | |
ist in den letzten Jahren zudem deutlich angestiegen. | |
Was unterscheidet Sportwetten von anderem Glücksspiel? | |
Im Gegensatz zu reinen Zufallsspielen spielt hier ein gewisser | |
Kompetenzanteil eine Rolle. Persönliche Kenntnisse können Einfluss auf das | |
Wettergebnis nehmen. Nur ist das Ganze letztlich so angelegt, dass die | |
Betreiber den Gewinn erzielen, nicht die Sportwetter. Das heißt: Wenn | |
Bayern München zu Hause gegen Werder Bremen spielt, und es leider in der | |
letzten Saison wahrscheinlich war, dass München gewinnt, war die Quote für | |
einen Sieg der Bayern äußerst gering. Da sorgen die Buchmacher mit ihrer | |
Quotenfestlegung schon vor, dass sie nicht draufzahlen. | |
Nun ist ein neues Glücksspielgesetz in Kraft. Wird TV-Werbung vielleicht | |
doch bald verboten? | |
Das Gesetz sieht vor, dass aktive Sportler und Funktionäre nicht mehr für | |
Werbung zur Verfügung stehen dürfen. Fußballspieler im Ruhestand, wie zum | |
Beispiel Lothar Matthäus, können hingegen weiterhin für Sportwetten werben. | |
Neu ist auch, dass die Wettangebote, die bislang illegal waren, in Zukunft | |
legal verfügbar sind. Anbieter konnten sich dafür um Lizenzen bewerben. | |
Damit hat nun unter anderem die Bild ein Sport-Wettangebot gestartet. Durch | |
die vielen Anbieter wird ein Konkurrenzdruck entstehen und noch mehr Geld | |
für Werbung ausgegeben werden. Der Anteil der Problemspieler wird durch die | |
erhöhte Verfügbarkeit und die verharmlosende Werbung weiter steigen. | |
Was könnte dem entgegenwirken? | |
Prävention, denn daran mangelt es in diesem Bereich. Gerade junge, meist | |
männliche, sportaffine Menschen und Mitglieder von Vereinen, sind affin für | |
Sportwetten. Wir wissen aus eigenen Untersuchungen, dass in Sportvereinen | |
der Anteil problematischer Zocker deutlich höher ist als in der | |
Allgemeinbevölkerung. Weil dort das Interesse so ausgeprägt ist, | |
appellieren wir an die Verbände, das Thema Glücksspielsucht in Bezug auf | |
Sportwetten ernstzunehmen. | |
5 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Emmy Thume | |
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