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# taz.de -- berliner szenen: DDR gefühlt zurück
Mir hat mal jemand gesagt, ich wär eigentlich besser in der DDR aufgehoben.
Da gab es die noch. Er meinte das aber nicht wegen der Ideologie. Sondern
weil ich Probleme hab, mich zu entscheiden. Ich verliere mich immer ganz
schlimm in der postmodernen Multi-Optionalität. In der DDR gab’s nicht so
viel Auswahl, vielleicht war sie nicht postmodern genug. Da hätt ich dann
nicht so lang überlegen müssen, welchen Kugelschreiber ich kaufe und
welches Projekt ich als nächstes in Angriff nehm.
Neulich sagte mir jemand, dass ich in der DDR bestimmt ganz schön angeeckt
wäre. Die war da längst untergegangen. Er meinte das weniger wegen der
Ideologie. Sondern weil ich immer so viel infrage stellen würde und an
allem möglichen zweifle. Vielleicht denkt er, dass ich im DDR-Laden erst
mal gefragt hätte, warum es denn keine blauen Kugelschreiber gibt, nur
braune. Und wieso die so schlecht schreiben. Und dann die eingeschränkte
Bücher- und Schallplattenauswahl und diese bekloppten Militärparaden, was
soll das?
Seit Pandemiebeginn hat sich übrigens mein postmoderner
Multi-Options-Horizont von alleine eingeschränkt. Ich fahr nicht mehr kreuz
und quer durch Berlin mit U- und S-Bahn. Überlege nicht, ob ich lieber zur
Podiumsdiskussion nach Pankow fahre oder zur Bibliothek nach Britz. Und
wann ich wen treffe, um was zu besprechen. Ich klappere nicht fünf Läden
ab, um die richtige Tasche zu finden. Die alte tut’s auch. Deshalb finde
ich, dass Corona ein bisschen die neue DDR ist. Es gibt weniger Auswahl.
Der Handlungsradius ist enger. Ich bewege mich hauptsächlich im
Dreiländereck von Neukölln, Schöneberg und Kreuzberg, per Fahrrad. Aber
jetzt wird ja gerade gelockert. Vielleicht komm ich dann mal wieder nach
Ostberlin.
Giuseppe Pitronaci
29 May 2021
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Giuseppe Pitronaci
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