# taz.de -- „In der Demokratie ein ganz wichtiges Werkzeug“ | |
> Streit kann produktiv sein, sagt die Philosophin Romy Jaster | |
Interview Isabella Boor | |
taz: Frau Jaster, wann hatten Sie das letzte Mal Streit? Und war er | |
produktiv? | |
Romy Jaster: Das letzte Mal gestritten habe ich wahrscheinlich gestern, | |
weil ich ja als Philosophin arbeite und das ein Teil meines Berufs ist, | |
permanent irgendwelche Meinungsverschiedenheiten auszutragen. Das ist dann | |
auch meistens produktiv. | |
Wann ist denn ein Streit für Sie unproduktiv? | |
Unproduktiv ist ein Streit meistens dann, wenn mindestens eine Seite | |
überhaupt keine Bereitschaft hat, seine eigene Position zu überdenken oder | |
in einer Weise zu verändern. Idealerweise wird in einem Streit ja meist | |
gesagt, dass die andere Person ihren Standpunkt ändern sollte. Und wenn | |
mindestens eine Seite einfach nur aus Sturheit sie nicht ändern will, ist | |
ein Streit unproduktiv. | |
Jetzt gerade in der Pandemie hocken wir als Familie alle ganz schön oft auf | |
einem Haufen und es kommt zu Streit, der sonst nie vorgekommen wäre: Ist | |
das dann auch unproduktiv? | |
Nicht notwendigerweise. Bei Familien mit einer guten Streitkultur sind | |
Streite produktiv. Das heißt: Wenn sich die Beteiligten auf die Punkte des | |
anderen einlassen und dann das versuchen in Anschlag zu bringen. Aber das | |
ist in Familien genauso selten wie in anderen Kontexten, weil die | |
Streitkultur in vielen Bereichen nicht so besonders konstruktiv ist. | |
Warum finden Sie es wichtig dieses Thema anzusprechen? | |
Ich verstehe Streite in erster Linie als das Austragen von | |
Meinungsverschiedenheiten, und das ist ja unter anderem in der Demokratie | |
ein ganz wichtiges Werkzeug. Beispielsweise um zu guten Wahlentscheidungen | |
zu finden. Das heißt, dass man die Überlegungen der Gegenseite zur Kenntnis | |
nimmt und sein eigenes Nachdenken dadurch auch befruchten lässt, was andere | |
zu dem Punkt sagen. In diesem Fall, finde ich, würde es helfen Streitkultur | |
zu üben, um dann in demokratischen Aushandlungsprozessen gut aufgestellt zu | |
sein. | |
Finden Sie die Diskussion zwischen einem Querdenker und einem linearen | |
Denker sinnvoll? | |
Ja, finde ich sinnvoll. Aber es muss eine Person sein, die sich auch darauf | |
einlässt, vielleicht ihr Überzeugungssystem zu überdenken. | |
27 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Isabella Boor | |
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