# taz.de -- Noch Luft nach oben | |
> Um die Hochschuldemokratie ist es in Pandemiezeiten eher schlecht | |
> bestellt. Der Entwurf des neuen Hochschulgesetzes steht in der Kritik von | |
> Studierendenvertretungen | |
Von Julian von Bülow | |
Normalerweise beginnt das neue Semester mit Frühstücken für Erstsemester, | |
Stundenplanberatungen und Kneipenabenden zum Kennenlernen. Solche | |
Veranstaltungen waren immer auch Gelegenheiten, Studierende an die | |
Hochschuldemokratie heranzuführen. Pandemiebedingt fällt das meiste davon | |
weg, und auch Wahlen für die Studierendenparlamente wurden verschoben. | |
Pessimistisch angesichts der Wahlen von Fachbereichsraten und dem | |
Akademischen Senat an der FU ist daher Janik Besendorf, Mitglied des AStA | |
der Freien Universität: „Wahlen an anderen Hochschulen haben schon gezeigt, | |
dass die ohnehin schon niedrige Wahlbeteiligung noch weitersinken wir.“ | |
Statt digitaler Wahlen, deren Auszählung kein Laie nachvollziehen könnte, | |
brauche es mehr Mitbestimmungsrechte. „Wenn Studierende merken, dass sie | |
ihre eigenen Verhältnisse ändern können, nehmen sie diese Gelegenheiten | |
auch eher wahr“, erklärt Besendorf. Eine Gelegenheit dafür ist die | |
Neufassung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG). | |
Hier bleibe der rot-rot-grüne Senat bisher hinter den Erwartungen der | |
Studierendenvertreter:innen und den Zusagen der Politik zurück: | |
„Wir sind enttäuscht über den BerlHG-Entwurf, weil er nicht widerspiegelt, | |
was vorher diskutiert und in Wahlprogrammen suggeriert wurde“, meint | |
Juliane Ziegler von der Studierendenvertretung der Humboldt-Universität. Es | |
habe kleine Verbesserungen gegeben, etwa bei Prüfungsversuchen, | |
Zwangsberatungen oder dem Teilzeitstudium, doch auch Verschlechterungen, | |
etwa eine Verschärfung von „Ordnungsverfahren“ mit der faktischen | |
Wiedereinführung von Zwangsexmatrikulationen. Ziegler befürchtet, dass | |
Hochschulleitungen somit härter gegen studentische Kritik vorgehen könnten. | |
Denn Studierende fallen immer wieder auf. Sie waren es, die das Gutachten | |
zur Doktorarbeit von Franziska Giffey (SPD), Spitzenkandidatin fürs | |
Bürgermeisteramt bei den Wahlen im September, veröffentlichten – doch bis | |
dahin war es ein langer Weg. Die Hochschulleitung ließ die Frist für die | |
Antwort studentischer Anfrage verstreichen, so Besendorf. Erst nachdem die | |
Studierenden ihre Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz stellten, | |
das öffentliche Einrichtungen zur Herausgabe von Informationen | |
verpflichtet, reagierte die FU nach knapp einem Jahr. Daraufhin wurde das | |
gesamte Prüfungsverfahren neu aufgerollt. | |
An der HU hingegen sollten in dieser Woche die Kandidierenden für das Amt | |
der Vizepräsident:in für Studium und Lehre angehört werden. Die | |
Öffentlichkeit informierte die Uni allerdings erst einen Tag zuvor. „Das | |
ist ein Amt, das für die Mehrzahl der Hochschulangehörigen, die | |
Studierenden, von großer Bedeutung ist“, erklärt Ziegler. „Wir setzen uns | |
daher dafür ein, dass diese Anhörung wiederholt wird, damit die | |
Öffentlichkeit daran teilnehmen kann.“ Es komme bei digitalen Sitzungen | |
häufiger vor, dass Leute nicht rechtzeitig informiert würden oder in | |
Warteräumen von Konferenzräumen lange auf Einlass warten müssten. | |
„Dass Gremien- und Hochschulmitglieder Informationen erhalten, ist für sie | |
essenziell. Der neue BerlHG-Entwurf stärkt zwar ihre Informationsrechte, | |
muss aber noch konkretisiert werden“, so Besendorf. Auf die Problematik | |
angesprochen, erklärte Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher | |
der Linksfraktion, bei einer Diskussionsveranstaltung am Dienstag: | |
„Natürlich müssen Hochschul- und erst recht Gremienmitglieder mindestens | |
die gleichen, eher bessere Auskunftsrechte haben als jede Berliner Bürgerin | |
und jeder Bürger. Das werden wir uns noch mal angucken.“ | |
Gewerkschaften und Studierende machten bei der Veranstaltung Druck, da sie | |
befürchteten, dass das Gesetz nicht mehr vor der Abgeordnetenhauswahl | |
komme. Mit Blick über Pandemie und BerlHG-Novelle hinaus meint Ziegler: | |
„Die digitale Lehre kann Studierende entlasten, und dennoch wird man wieder | |
mehr Wertschätzung für Vor-Ort-Treffen haben. Das Campusleben wird eine | |
Zeit lang hedonistischer sein.“ Vielleicht auch mit einem Kneipenabend zu | |
Hochschulpolitik. | |
17 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Julian von Bülow | |
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