# taz.de -- Schuss auf SPD-Büro | |
> Die hannöversche Ratsfrau Hülya Iri fand ein kleines, rundes Loch in | |
> ihrer Fensterscheibe –vermutlich von einer Schusswaffe. Rassistische | |
> Drohungen hat sie schon früher erhalten | |
Von David Speier | |
Anfang April sitzt die SPD-Ratsfrau Hülya Iri am Schreibtisch in ihrem Büro | |
im Hannoveraner Stadtteil Bemerode. Plötzlich fällt ihr im Augenwinkel ein | |
kreisförmiges Loch in der Fensterscheibe auf. | |
Zuerst habe sie den Schaden nicht zuordnen können und sich wieder in ihre | |
Arbeit vertieft, erzählt Iri. Es habe ihr aber keine Ruhe gelassen und sie | |
habe sich dann Bilder des [1][Anschlags auf das Büro des | |
Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby] angeschaut und realisiert, dass es | |
sich wohl um ein Einschussloch handelt. Daraufhin sei sie aufgewühlt nach | |
Hause gestürmt und habe die Polizei informiert, die den Fall vor Ort | |
aufnahm. | |
Im Januar 2020 hatten Unbekannte mehrfach auf das Büro des | |
SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby in Halle geschossen. Die | |
Täter*innen konnten bis heute nicht ermittelt werden. Iris Büro in | |
Hannover ist nicht als Parteibüro erkennbar. Sie betreibt in den Räumen ein | |
Integrationsbüro und unterstützt jugendliche und alleinerziehende Frauen | |
bei der Berufswahl und der Suche nach einer Ausbildung. Das Büro ist eine | |
offene Anlaufstelle, auch Hausaufgabenhilfe und Unterstützung bei | |
Bewerbungen bietet sie dort an. | |
Der Polizei Hannover liegen derzeit keine Hinweise auf ein mögliches | |
Tatmotiv vor. Ein politisch motivierter Hintergrund könne jedoch derzeit | |
nicht ausgeschlossen werden. Durch was für ein Geschoss das Loch in der | |
Fensterscheibe verursacht wurde, konnte bisher nicht festgestellt werden, | |
teilte die Pressestelle der Polizei mit. | |
Der mutmaßliche Anschlag ist nicht die erste Drohung, die Hülya Iri erhält, | |
die seit 2016 im Rat der Stadt Hannover sitzt. Bei ihrem Wahlkampf hätten | |
unbekannte Hakenkreuze auf ihre Wahlplakate geschmiert, berichtet sie. Zwei | |
Jahre später habe sie Morddrohungen über soziale Netzwerke erhalten. „Die | |
politische Kultur und Debattenkultur hat sich verschärft und das wirkt sich | |
natürlich auch auf die Gesellschaft aus“, sagt Iri. | |
Nach dem mutmaßlichen nächtlichen Anschlag habe ihre Tochter in einem | |
Gespräch gefragt: „Wo gehören wir eigentlich hin?“ Die Frage habe sie mehr | |
aufgewühlt als der Anschlag, sagt Iri. „Wir werden auf unseren | |
Migrationshintergrund reduziert.“ | |
Beim Thema Integration habe sie schon alles gegeben. „Rassismus erlebe ich | |
ja nicht, seitdem ich in der Politik bin, sondern seitdem ich auf der Welt | |
bin“, sagt Iri. Mit der Zeit werde man aber immer stärker und er pralle an | |
einem ab. „Wahrscheinlich bin ich es leider schon gewohnt“, sagt Iri. | |
Solidarität erhält Hülya Iri vor allem aus der SPD-Ratsfraktion. Die | |
SPD-Integrationsbeauftragte Séverine Jean postete auf Facebook: „Die | |
Ereignisse machen uns sehr betroffen und sie verdeutlichen einmal mehr, | |
dass wir weiter alles dafür geben müssen, diskriminierenden und | |
rassistischen Angriffen einen Riegel vorzuschieben.“ | |
Das Thema Rassismus sei in der Stadtgesellschaft nicht präsent genug, weil | |
die Mehrheit das nicht so wahrnehme, kritisiert Iri. Dabei verzeichnete die | |
Antidiskriminierungsstelle der Stadt im vergangenen Jahr 289 Vorfälle | |
diskriminierender Art. Ein Großteil sind rassistische Anfeindungen. Die | |
Dunkelziffer liegt vermutlich noch weitaus höher. | |
„Die Zahlen haben sich verdoppelt und es ist dringender Handlungsbedarf“, | |
findet Iri. Die Bewohner*innen Bemerodes seien besorgt. „Plötzlich | |
passiert es in unserem Stadtbezirk“, sagt Iri. Es habe aber auch viele | |
Solidaritätsbekundungen gegeben. Das gebe ihr Stärke. „Man sagt ja immer: | |
Wir sind mehr.“ | |
11 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
David Speier | |
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