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# taz.de -- heute in hamburg: „Die Sprache ist das, was wir aus ihr machen“
Interview Isabella Boor
taz: Frau Gümüşay, denken Sie, ihr Buch „Sprache und Sein“ hat im
vergangenen Jahr schon etwas bewirkt?
Kübra Gümüşay: Aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen kann ich sagen, dass
das Buch bei den Leser*innen ein Bewusstsein von der Macht der Sprache
geschaffen hat. Das hilft, Ungerechtigkeiten in unserer Sprache zu
erkennen. Viele bemühen sich jetzt um eine gerechtere Sprache, die die
Menschen, die diese Sprache benutzen, umfassen kann.
Was kann da ein Buch bewirken?
Ich glaube ein Buch ist wirkungsvoll, wenn es Menschen erreicht, wenn es
schafft, sie abzuholen, ihnen die Tür zu öffnen zu einem neuen unbekannten
Thema und sie mitnehmen kann auf eine Reise. Sonst bleibt es, obwohl es
geöffnet ist, ein geschlossenes Buch.
Welcher Wunsch steht hinter Ihrem Buch?
Es sind mehrere Wünsche, die an einen großen geknüpft sind. Und zwar, dass
das Bemühen um Gerechtigkeit ein Auftrag an alle ist. Dafür ist es wichtig,
die Strukturen der Sprache zu sehen, zu entdecken, wie sie uns formen und
prägen – und dann auch das Negative daran zu sehen: Wie sie unterdrücken,
ausschließen oder gar Gewalt ausüben kann. Zum Schluss geht es dann darum,
die Ärmel hochzukrempeln, um an diesen Strukturen zu arbeiten, sodass wir
in einer gerechteren Welt leben können.
Geschieht Diskriminierung über Sprache?
Nicht nur, aber auch. In der Sprache und ihrer Struktur können sich
Missstände manifestieren und Unterdrückung verstetigen. Oft gar nicht, weil
Menschen beim Sprechen dezidiert die Absicht hätten zu diskriminieren,
sondern aus Gewohnheit. Deshalb lohnt sich ein kritischer Blick auf die
Struktur der Sprache jenseits der einzelnen Sprechenden.
Steckt in Ihrem Buch auch der Appell an Einwander*Innen, sich die Sprache
der Mehrheitsgesellschaft anzueignen?
Eigentlich ein Appell an alle. Sprache ist ständig im Wandel. Sie ist das,
was wir aus ihr machen. Das Buch ist ein Appell an alle Menschen, die sich
eine gerechtere Zukunft wünschen, an den Strukturen zu arbeiten, die uns
umgeben. Und wie der afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin über
die englische Sprache schrieb: „Vielleicht war die Sprache nicht meine,
weil ich nie versucht hatte, sie zu benutzen, sondern nur gelernt hatte,
sie zu imitieren. Wenn dem so war, dann wäre sie vielleicht formbar genug,
um die Last meiner Erfahrung zu tragen […].“ Ich denke, er hat Recht.
Warum werden Sie dafür kritisiert, dass sie Kopftuch tragen, wenn Sie
Feministin sind?
Wir nehmen verschiedene Bevölkerungsgruppen durch sehr enge Kategorien
wahr, mit klaren Definitionen. Wenn Menschen denen nicht zuzuweisen sind
und sie durch ihre Existenz sprengen, führt das zu Irritation, weil so
Weltbilder ins Wanken geraten.
5 May 2021
## AUTOREN
Isabella Boor
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