# taz.de -- heute in bremen: „Wie man die Stadt in Zukunft nutzen möchte“ | |
Interview Lukas Scharfenberger | |
taz: Herr Werquet, wie sah Bremen Mitte des 19. Jahrhunderts aus? | |
Jan Werquet: Die meisten Städte haben einen mittelalterlichen Ursprung, das | |
bedeutet, dass Straßen und die Häuser kleiner waren, außerdem gab es eine | |
engere Durchmischung von Wohnungen und Gewerbe. Mit der Industrialisierung | |
entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts andere Bedürfnisse. Unter anderem | |
brauchte der Einzelhandel mehr Platz, weswegen die kleinteilige Struktur | |
aufgelöst wurde. | |
Wie ging dieser Wandel vonstatten? | |
In Bremen wurde der Wandel von den großen Kaufleuten initiiert. Besonders | |
der Bau der neuen Börse in den 1860er-Jahren ist hier zu nennen. So große | |
Projekte gab es vorher nicht. Die gesamte Ostseite des Marktes wurde neu | |
bebaut. Die Börse ist also auch der Vorgängerbau der heutigen Bürgerschaft. | |
Dann ging es Schlag auf Schlag weiter. Man verbreiterte die Straßen, um den | |
Verkehr in die Stadt zu bringen. Die heutige Bürgermeister-Smidt-Straße | |
wurde vom Hauptbahnhof bis zur Weser durchgezogen. | |
Und wie wurde die Stadt dann zu dem, was sie heute ist? | |
Mit dem Wirtschaftsboom von etwa 1924 bis 1929 entstanden neue Kaufhäuser, | |
vor allem das große Karstadtgebäude in der Obernstraße, mit dem eine neue | |
Dimension von Warenhäusern Einzug in Bremen hielt. Während des | |
Wiederaufbaus, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde die Obernstraße immer | |
stärker zur Einkaufsstraße umgebaut. | |
Was sagen Sie zum heutigen Stadtbild? | |
Der Markt ist eine sogenannte Traditionsinsel. Man konzentrierte hier | |
historische Bauten, um das Stadtbild zu konservieren. Zu diesem Zweck | |
wurden sogar Gebäude zum Marktplatz verfrachtet. Das Haus, in dem heute die | |
Sparkasse steht, stand früher beispielsweise ganz woanders. Man schuf also | |
ein künstliches, historisches Ambiente, um das Bremer Stadtbild zu | |
bewahren. Ein Steinwurf entfernt wurden aber mittelalterliche Gebäude | |
abgerissen, um dort Kaufhäuser hinzustellen. | |
Was meinen Sie, wie sich das Stadtbild in Zukunft verändern wird? | |
Wir haben verschiedene Entwicklungen, die das Stadtbild verändern. Dazu | |
gehört der Internethandel, aber auch die Coronapandemie. Man wird sich | |
fragen müssen, wie man die Stadt in Zukunft nutzen möchte. Da ist es sicher | |
sinnvoll, nicht nur den Einzelhandel im Blick zu haben. Ich hoffe, dass | |
eine kleinteiligere Struktur entsteht, als das was wir jetzt haben. Aus der | |
Krise lernen wir auch: Je stärker eine Monostruktur dominiert, desto | |
krisenanfälliger ist sie auch. | |
Was halten Sie von einer autofreien City? | |
Natürlich ist klar, dass die Idee der autogerechten Stadt dazu führte, dass | |
das Leben in der Innenstadt erstickt wurde. Es sollte daher der ÖPNV | |
ausgebaut werden und die Innenstadt ohne Autoverkehr erschlossen werden. | |
Allerdings kann es sein, dass weiterhin Autoverkehr für Zulieferer oder | |
Warentransporte in einer Innenstadt notwendig sein werden. | |
27 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Lukas Scharfenberger | |
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