# taz.de -- Entkriminalisierung und Legalisierung: Alternative Drogenpolitik | |
> Philine Edbauer und Rüdiger Schmolke im Gespräch über repressive | |
> Drogenpolitik und Alternativen dazu. | |
Bild: Wie können Alternativen zur repressiven Drogenpolitik aussehen? | |
Jedes Jahr gibt es in Deutschland hunderte [1][Drogentote]. Außerdem gibt | |
es Hunderttausende, die [2][suchtkrank] sind oder einen problematischen | |
Konsum aufweisen. Sind das die Früchte einer jahrelangen Verbotspolitik, | |
welche wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema [3][Drogen] und Sucht | |
ignoriert? | |
Massive Nachfrage nach berauschenden Substanzen, starke Kriminalisierung | |
und steigender Verfolgungsdruck: Der eigentliche Systemwechsel aus diesem | |
„vicious circle der Prohibition“ heraus kann nur in Form einer | |
Neuregulierung vollzogen werden, so der Politikwissenschaftler Rüdiger | |
Schmolke im taz Talk. Gewalt, Risikozuschläge und Anreize durch die | |
Ausgrenzung von Konsument:innen müssten ein Ende haben. | |
Durch [4][Prohibition] wird Drogenkonsum nicht vermieden, sondern lediglich | |
unsicherer. Sozialwissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse zeigen, | |
dass erhebliche gesundheitliche Schäden nicht durch die Substanzen selbst, | |
sondern durch Streckmittel und sich dadurch verschlechternde Qualität oder | |
falsche und überdosierte Einnahme aufgrund mangelnder Aufklärung entstehen. | |
Die aktuelle [5][Drogenpolitik] scheint dieses Wissen zu ignorieren und | |
setzt weiterhin auf Abstinenz – das vorherrschende Paradigma zum | |
staatlichen Umgang mit Drogen. Illegale Drogen werden zwangsläufig negativ | |
mit Abhängigkeit, Gewalt, organisierter Kriminalität assoziiert, dabei sind | |
das die Folgen des gesellschaftlichen Umgangs mit den Substanzen und nicht | |
die „Bösartigkeit“ der Substanz per se. | |
## Dekriminalisierung und Legalisierung | |
Die Hauptargumente für die Prohibition sind wissenschaftlich entkräftet, | |
denn es gibt keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen Legalitätsstatus | |
und Konsumniveau. Trotzdem hält der Staat an der repressiven Drogenpolitik | |
fest und kriminalisiert diejenigen, die willentlich in Kontakt mit | |
illegalen Betäubungsmitteln kommen. | |
Doch es gibt Alternativen dazu, seit Jahrzehnten kämpfen Aktivist:innen für | |
eine Entstigmatisierung von Konsument:innen und Dekriminalisierung oder gar | |
Legalisierung diverser Betäubungsmittel. | |
Laut Rüdiger Schmolke muss Entkriminalisierung als ein erster Schritt | |
begriffen werden, der möglichst schnell und umfassend erfolgen muss, weil | |
er Menschenleben retten und Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten auf ganz | |
andere Füße stellen kann. Mehr Schutz und Aufklärung von vulnerablen | |
Gruppen sowie eine streng regulierte Abgabe, fordert Rüdiger Schmolke. | |
Nur zu legalisieren reicht nicht, denn damit sollen auch Hilfsangebote | |
geschaffen und Aufklärung vorangetrieben werden, um einen sicheren Konsum | |
zu ermöglichen und Abhängigkeiten sowie Drogenmissbrauch [6][präventiv | |
entgegenzuwirken]. | |
„Natürlich ist Drogenkonsum immer ein Risiko, aber es muss jedem Menschen | |
zugestanden werden, positive Erfahrungen mit Drogen machen zu dürfen. Das | |
Ziel muss nicht sein, abstinent zu werden, es kann eine Option sein, die | |
man sich selbstbestimmt aussuchen darf. Sich Hilfe zu suchen, mit Drogen | |
nicht klar zu kommen, Fragen zu stellen und sich Informationen einzuholen, | |
muss ebenfalls möglich sein. Wir müssen lernen enttabuisiert über Risiken | |
zusprechen. Genau das ist akzeptierende Drogenarbeit.“, sagt Philine | |
Edbauer im taz talk. | |
Darüber, wie eine solche akzeptierende Drogenpolitik aussehen, welche | |
sowohl wirtschaftlichen als auch sozialpolitischen Vorteile sie mit sich | |
bringen könnte und wie sie in der Realität umsetzbar wäre, hat | |
[7][Anastasia Tikhomirova] im taz Talk mit [8][Philine Edbauer] und | |
[9][Rüdiger Schmolke] gesprochen. | |
## Unsere Gäste | |
[10][Philine Edbauer] hat 2017 die Initiative [11][#mybrainmychoice] | |
gegründet, die Gespräche über Themen rund um Konsum, Produktion sowie | |
Handel aller psychoaktiven Substanzen fördert und die öffentliche | |
Diskussion um die Gestaltung einer wünschenswerten Drogenpolitik anregt. | |
#mybrainmychoice erwartet von den Verantwortlichen der Bundesregierung den | |
Einsatz für eine Drogengesetzgebung, die dem wissenschaftlichen Stand | |
entspricht und die Schäden der Prohibition korrigiert. Dies kann durch die | |
Beauftragung einer transdisziplinären und unabhängigen Kommission gelingen. | |
[12][Rüdiger Schmolke], MA Politikwissenschaft, Master of Public Health und | |
ist Systemischer Organisationsentwickler und -berater. Seit 1996 ist er | |
aktiv in den Bereichen Sucht- und Drogen(politik)forschung, | |
Gesundheitsförderung, Suchtprävention und Suchthilfe und Dozent unter | |
anderem an der Fachhochschule Potsdam. Er ist Vorstandsmitglied bei | |
[13][akzept e.V.] Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und im | |
[14][SONICS e.V.] Bundesverband für Safer Nightlife. Aktuell ist er | |
außerdem Referent für Erwachsenenbildung beim [15][Chill out e.V.] Potsdam | |
und Koordinator des [16][Projekts SONAR] - Safer Nightlife Berlin. | |
[17][Anastasia Tikhomirova] ist Journalistin, [18][taz Lab]-Redakteurin und | |
hat Kulturwissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität in | |
Berlin studiert. | |
Anregungen und Fragen nehmen wir mit Freuden entgegen über [email protected]. | |
23 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Drogentote/!t5043795/ | |
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[10] https://mybrainmychoice.de/philine-edbauer/ | |
[11] https://mybrainmychoice.de/ | |
[12] https://www.hanfparade.de/2020/07/ruediger-schmolke/ | |
[13] https://www.akzept.eu/ | |
[14] http://acidweb.biz/sonics/ | |
[15] https://chillout-pdm.de/ | |
[16] https://www.fixpunkt.org/sonar-safer-nightlife-berlin/ | |
[17] /programm/2021/tazlab2021/de/speakers/1605.html | |
[18] /lab/!p4905/ | |
## AUTOREN | |
Anastasia Tikhomirova | |
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