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# taz.de -- Reif fürs Museum
Das Haus der Geschichte in Bonn hat sich eine Ampulle des Corona-Impfstoffs
von Biontech und Pfizer gesichert. Die Impfstoffampulle, ein museumsreifer
Ausstellungsgegenstand? Das Museum teilt mit, man wolle, vermittelt durch
das Fläschchen, das „Licht am Ende des Tunnels“ zeigen. Sammlungsdirektor
Dietmar Preißler setzt auf solche vermeintlich unscheinbaren
Alltagsgegenstände, die als „Storytelling Objects“ eine große Geschichte
erzählen. Preißler hat für das Museum auch einen Bierkrug des Münchner
Oktoberfests 2020 besorgt, das nie stattgefunden hat, und ein Tütchen mit
Weihwasser to go, das seit der Pandemie in einer Bonner Gemeinde angeboten
wird.
Einfache Objekte erinnern an große Ereignisse. Wie wichtig sie sind,
beschreibt der Schweizer Soziologe Luca Tratschin, der sich am Beispiel der
Spanischen Grippe mit der Erinnerung an Katastrophen beschäftigt. Die
Spanische Grippe werde oft als tödlichste Episode des 20. Jahrhunderts
beschrieben – und sei paradoxerweise so gut wie vergessen, sagt Tratschin.
Er führt dies darauf zurück, dass wir ein kollektives
Katastrophengedächtnis haben. In diesem habe der Erste Weltkrieg die
Spanische Grippe verdrängt. Zudem sorgten bestimmte Merkmale „wie fehlende
Täter und fehlende Helden“ dafür, dass sich die vorangegangene Pandemie
nicht so stark im kollektiven Gedächtnis verankert habe.
Werden wir Corona irgendwann genauso verdrängt haben? Der Soziologe Oliver
Dimbath erklärte zuletzt im Spiegel-Interview, dass Corona schon (!) 2080
keinen mehr interessieren werde – weil es nicht mit einer großen
Schuldfrage zusammenhänge. Aber: „Vergessen heißt nicht, etwas ist ganz
weg, es heißt, es ist noch da, wir haben es nur nicht im Sinn.“ Wir werden
uns also spätestens dann an Corona erinnern, wenn wir in ein paar Jahren
ins Museum gehen. Weil jemand einen Gegenstand wie die Impfstoffampulle
besorgt hat, der helfen wird, diese Katastrophe, die die Welt zu Beginn der
20er Jahre des 21. Jahrhunderts beschäftigt hat, nicht zu vergessen. Lena
Walbrunn
20 Feb 2021
## AUTOREN
Lena Walbrunn
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