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# taz.de -- Ein zarter Versuch
> In Bremen fördert der Senat ein Klubprojekt, das den Beschäftigten der
> Branche wieder Arbeit verschaffen soll. Nicht alle können teilhaben. Und:
> Erst mal kann nur gestreamt werden
Bild: Einst Ort des gepflegten Absturzes: die „Absinth-Bar“ in der Hamburge…
Aus Bremen Alina Fischer
Knapp 15 Meter hoch sind die Decken der großen Industriehalle, Scheinwerfer
beleuchten die leere Bühne. Bis zu 2.800 Leute passen in das „Pier 2“,
eines der größten Veranstaltungszentren in Bremen direkt an der Weser. Bis
Ende Mai ist hier der temporäre „Club100“ untergebracht.
Geplant sind Konzerte und Lesungen, die Auftaktveranstaltung fand
vergangene Woche statt – ohne Live-Publikum. Erst mal wird nur gestreamt.
Das ginge zwar auch aus einem deutlich kleineren Raum, perspektivisch
sollen jedoch bis zu 521 Zuschauer:innen bei Veranstaltungen live dabei
sein können – sobald es die Coronaverordnung wieder zulässt.
Schon zu Beginn der Krise habe es Gespräche mit Bremens
Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) gegeben, wie man die vielen
kleinen Klubs, Veranstalter:innen und Kollektive unterstützen könne,
sagt von Julia von Wild. Sie ist im Vorstand von Clubverstärker e. V.,
einem Verein, der Bremens Veranstaltungs- und Klubszene vernetzen will und
den Club100 maßgeblich vorangetrieben hat. Mit 1,1 Millionen Euro wird das
Projekt nun vom Senat gefördert. Damit sind die laufenden Kosten gedeckt.
Im vergangenen Jahr hatte Clubverstärker e. V. außerdem Geld von der Stadt
bekommen, um eine Geschäftsstelle aufzubauen, die sich um Popkultur und
Musik kümmern soll. Es ist auch der Versuch eine Art Lobby aufzubauen, um
Interessen besser vertreten zu können. „Klubs sind Kultur-Orte, die das
Lebensgefühl ganzer Generationen prägen und weiterentwickeln“, sagt von
Wild. Bisher sei in Bremen noch kein Klub insolvent gegangen. Es sei aber
auch völlig klar, dass es ohne finanzielle Hilfen von Stadt, Land und Bund
nicht zu schaffen sei.
Streams aus leeren Klubs – das gab es in Bremen schon im ersten Lockdown.
Das Projekt „United We Stream Bremen“ (UWS Bremen), Ableger einer Berliner
Initiative, bot plötzlich arbeitslos gewordenen DJs und
Veranstalter:innen die Möglichkeit, ihre Musik live im Internet
darzubieten. Auch der Verein Kultur im Bunker e. V., seit Jahren in der
alternativen Klubszene Bremens aktiv, organisierte einen der Streams. Neben
Musik gab es Kunstperformances zu sehen. „Es war cool, dass auf einmal
viele verschiedene Akteur:innen zusammengearbeitet haben und sich echt
coole Ideen entwickelt haben“, sagt jemand aus dem Verein über das
Streaming-Projekt. „Aber viele Kulturschaffenden haben da sehr viel
Gratisarbeit geleistet, obwohl sie eh schon in prekären Situationen leben.“
Viele seien selbstständig mit geringem Einkommen.
Das hat die Selbstausbeutung gefördert. 7.000 Euro Spenden gingen bei UWS
Bremen bis heute ein. 60 Prozent fließen in Projekte gegen sexualisierte
Diskriminierung sowie in Projekte für Geflüchtete. Der Rest wird
solidarisch unter den Kulturorten aufgeteilt, die es am dringendsten
benötigten.
Der Club100 geht nun einen anderen Weg. Die virtuellen Besucher:innen
müssen Tickets kaufen. Die kosten circa halb so viel wie ein normales
Ticket. „Dass sich da etwas ändert, dass im Internet alles umsonst ist“,
sei wichtig, sagt die Wirtschaftssenatorin. Im Senat hatte sie sich sehr
für die Veranstaltungsbranche eingesetzt. Das Land Bremen sei ohne eine
vielfältige Kulturszene nicht denkbar.
Auch Immo Wischhusen hatte sich auf einen der Plätze im Klubprogramm
beworben. Seit fünf Jahren betreibt der Musiker das Outdoor-Projekt „Die
Komplette Palette“ in Bremen-Hemelingen. Er organisiert Konzerte,
Bar-Abende, Lesungen. Bei der Auswahl seines Programms setzt er auf
unbekanntere Künstler:innen. Sein Antrag wurde abgelehnt. „Ich passte nicht
in die Spielregeln“, sagt er. Die Veranstaltungsreihe sei leider auf große
Namen ausgelegt.
Werden also in der Krise nur die gefördert, die ins publikumswirksame
Konzept passen? Fakt ist, dass Menschen verschiedenster Gewerke durch die
Förderung des Projekts Club100 wieder arbeiten können – zumindest ein
bisschen. Und das sei neben dem finanziellen Aspekt so wichtig, sagt
Clubverstärker-Vorständin von Wild. Die Arbeit habe ja auch mit Idealismus
zu tun.
Dem stimmt auch Wischhusen zu. Die Rettung sieht er in den Streams trotzdem
nicht. Das Internet sei schließlich voll mit kostenlosem Content. Und auch
bei „United We Stream Bremen“ hatte die Resonanz mit der Zeit erheblich
abgenommen.
Ohnehin kann der Club100 nur 25 von 40 Veranstaltungen streamen, mehr gibt
das Budget nicht her. „Wir arbeiten dran“, sagt Julia von Wild.
Die Solidarität, die innerhalb der Szene zum Vorschein gekommen ist,
empfinden die Kulturschaffenden als positiv überraschend. Klubs sind nicht
nur Vergnügen, sondern auch ein Ort des menschlichen Zusammenkommens. Ein
Ort, an dem Kultur gelebt wird und Neues entstehen kann.
Eine Zukunft ohne Klubs möchte sich keine:r vorstellen.
23 Jan 2021
## AUTOREN
Alina Fischer
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