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# taz.de -- taz🐾thema: Aufgeben ist keine Option
> Die Diagnose Brustkrebs trifft jüngere Frauen oft besonders hart. Zu der
> ohnehin großen körperlichen und psychischen Belastung durch die Krankheit
> und die aggressive Therapie kommt oft die Sorge um die Familie, die
> Partnerschaft und den Arbeitsplatz
Von Cordula Rode
„Es war ein völliger Schock.“ Sina war 32, als ihre Gynäkologin bei der
Routineuntersuchung einen Knoten in der linken Brust feststellte und sie
sofort in ein Brustzentrum überwies. Es folgten Tage der Angst und
Ungewissheit. „Ich stand völlig neben mir – mein Sohn war gerade drei Jahre
alt und hatte endlich einen Kitaplatz bekommen. Ich wollte beruflich wieder
durchstarten, alles lief gut“, erinnert sich die junge Frau. Dann die
gefürchtete Diagnose: Brustkrebs.
Sina hatte Glück: Der Tumor hatte noch nicht gestreut. Nach der Operation
folgte die Chemo, die sie körperlich und psychisch an ihre Grenzen brachte:
„Mein Körper erschien mir als Feind, der jeden Tag ein neues Gesicht
zeigte.“ Wochenlang konnte sie fast nichts tun, die Nebenwirkungen der
Chemotherapie machten einen normalen Alltag unmöglich: „Am schlimmsten war
die bleierne Schwäche – und natürlich die entsetzliche Angst. Die Angst,
dass ich sterben muss und mein Sohn sich nicht an mich würde erinnern
können.“
Nach Angaben der deutschen Krebsregister und des Robert Koch-Instituts
erhalten in Deutschland jedes Jahr etwa 69.000 Patientinnen die
Erstdiagnose Brustkrebs. Damit erkrankt umgerechnet eine von acht Frauen im
Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Das Durchschnittsalter, in dem Frauen an
Brustkrebs erkranken, liegt unter dem für Krebserkrankungen allgemein. Fast
drei von zehn betroffenen Frauen sind jünger als 55 Jahre alt, wenn sie die
Diagnose bekommen.
Gerade für jüngere Frauen ist die Diagnose aus mehreren Gründen besonders
schwerwiegend. Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik des
Universitätsklinikums Würzburg und Leiter des dortigen Brustzentrums,
erläutert die besondere Problematik: „Jüngere Patientinnen haben ein sehr
viel höheres Rückfallrisiko als ältere Frauen – deshalb ist die Therapie
aggressiver und hat entsprechend stärkere Nebenwirkungen.“ Hinzu komme,
dass die Frauen in einer anderen Lebenssituation seien: „Da trifft es oft
junge Familien mit kleinen Kindern, deren finanzielle Situation vielleicht
auch vom Verdienst beider Partner abhängt.“ Oft bestehe bei den
Patientinnen auch noch ein Kinderwunsch. Die Chemo- und die
Antihormontherapie verursachen im Körper verfrühte Wechseljahre – ein
Vorgang, der in den meisten Fällen bleibend ist. Zum Schutz der
Fruchtbarkeit stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, die je nach
geplanter Therapie kombiniert werden können, zum Beispiel das Einfrieren
von Eizellen oder Eierstockgewebe.
In jedem Falle bedeutet die plötzliche Hormonumstellung starke körperliche
Einschränkungen für die betroffenen Frauen, die zusätzlich zu den
Nebenwirkungen der Therapie äußerst belastend sein können, körperlich und
psychisch. Typische Wechseljahrsbeschwerden treten auf, wie Hitzewallungen,
Schweißausbrüche und trockene Scheidenschleimhaut.
Es ist extrem wichtig, die Patientinnen direkt nach der Diagnose auch
psychisch zu betreuen. „Die zahlreichen Fragen der Frauen sind allein im
Arztgespräch nicht zu klären“, weiß Wöckel. „An unserer Klinik werden d…
Frauen vom ersten Tag an von Breast Care Nurses betreut, speziell
geschulten Fachkräften, die den Patientinnen in dem ganzen Prozess der
Untersuchung, Behandlung und Nachbetreuung zur Seite stehen.“ In einem
regelmäßigen Screening werde genau geschaut, wer psychoonkologische Hilfe
benötige.
Die Deutsche Krebshilfe in Bonn steht seit vielen Jahren Betroffenen nach
einer Krebsdiagnose mit dem Informations- und Beratungsdienst Infonetz
Krebs zur Seite. Das multiprofessionelle Team beantwortet telefonisch und
per Mail medizinische und sozialrechtliche Fragen, vermittelt Adressen von
Beratungsstellen vor Ort, Selbsthilfegruppen und Psychoonkologen.
Brustkrebs gehört hier zu den am häufigsten angefragten Themen. „Bei
Brustkrebs erkrankt eigentlich die ganze Familie“, sagt Claudia Sputh,
Leiterin des Infonetz Krebs. „Gerade bei jungen Frauen wird das gesamte
familiäre Gefüge durch die Krankheit ins Wanken gebracht.“ Neben der Sorge
um kleine Kinder belastet dabei viele Frauen auch die Angst um die Qualität
der Partnerschaft. Das erlebt Sputh immer wieder: „Die Operation oder in
manchen Fällen sogar Amputation erschüttert das weibliche Selbstbild der
Patientinnen. Dazu kommt dann oft die durch die Medikation verursachte
hormonelle Veränderung – viele Frauen fürchten um den Verlust ihrer
Weiblichkeit.“ Meist zu Unrecht: Die meisten Partner seien in der Lage, mit
der Situation umzugehen und ihre Frau zu unterstützen. „Aber leider gibt es
natürlich auch Fälle, in denen die Familie an dieser Belastung zerbricht“,
weiß Beraterin Beate Gimbel.
Umfassende Unterstützung in allen Belangen von Anfang an ist der beste Weg,
den Patientinnen den schweren Weg zu erleichtern. In den Spitzenzentren der
Krebsmedizin, die die Deutsche Krebshilfe fördert, werden sogenannte
Onkolotsen eingesetzt, vergleichbar den Breast Care Nurses, die den
Patientinnen und ihren Angehörigen umfassend helfen und sie aktiv
begleiten, damit diese während ihrer Erkrankung einen optimalen Weg durch
die Behandlung, die Versorgungsangebote und die vielen Informationen
finden.
Auch Sina hat psychoonkologische Hilfe in Anspruch genommen – und tut dies
auch weiterhin, denn: „Die Haare wachsen nach – die Angst bleibt. Aber
Aufgeben ist keine Option.“
Beratung der Deutschen Krebshilfe Bonn:
www.infonetz-krebs.de
30 Jan 2021
## AUTOREN
Cordula Rode
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