# taz.de -- corona in hamburg: „Es ist eine Belastung für die Gefangenen“ | |
Interview Finn Starken | |
taz: Herr Reichenbächer, wie hat Corona das Leben im Gefängnis verändert? | |
Karl-Uwe Reichenbächer: Es schränkt den Kontakt der Gefangenen | |
untereinander stark ein. Ihre Freistunden finden nun in kleineren Gruppen | |
statt; die Freizeitangebote wurden heruntergefahren. Die Kochgruppe kann | |
zum Beispiel nicht mehr zusammen kochen. Und auch die Vater-Kind-Gruppe | |
darf sich nicht mehr treffen, weil dies zu Kontakten nach draußen führen | |
würde. | |
Welche Auswirkungen hat das für die Gefangenen? | |
Es ist eine Belastung. In der Seelensorge versuchen wir das aufzufangen, | |
indem wir vermehrt Gespräche mit ihnen führen. Wir holen die Gefangenen | |
dann aus ihrer Zelle heraus, um in unseren Büros mit ihnen zu sprechen. Wir | |
gehen auch mit ihnen in die Kirche. Unser Kirchraum ist ein sehr heller und | |
froher Ort. Hier bekommen sie für einen Moment das Gefühl, nicht im | |
Gefängnis zu sein. Das kann einen positiven Effekt haben. | |
Wie findet die Seelensorge derzeit statt? | |
Ich biete meine Arbeit weiterhin täglich an. Aber ich kann meine Gespräche | |
mit den Gefangenen nur in einem gelüfteten Raum mit Maske und Abstand | |
führen. Wir können uns also nicht mehr richtig ins Gesicht schauen. Die | |
Mimik wird nicht mehr so deutlich; ich achte verstärkt auf Augen, Stimme | |
und Körperhaltung. Ich kann den Gefangenen auch nicht eben einen Kaffee | |
anbieten und sie dürfen nicht mal kurz eine Zigarette rauchen. Das macht | |
die Situation distanzierter. | |
Was beschäftigt die Menschen besonders? | |
Ich werde oft von Gefangenen gefragt, wie die Situation draußen gerade sei. | |
Das wollen sie von mir aus erster Hand hören. Einige sind ziemlich bedrückt | |
und machen sich Sorgen um ihre Angehörigen. Andere sagen aber auch: Ach, | |
dann versäume ich ja nichts. | |
Was macht das mit der Psyche der Gefangenen? | |
Viele haben Radio oder Fernsehen und bekommen die Situation außerhalb des | |
Gefängnisses gut mit. Es kommt vor, dass sich einige von morgens bis abends | |
Nachrichten anschauen. Sie kommen dann völlig fertig zu mir und erzählen, | |
wie schrecklich das Ganze sei. Ich sage ihnen dann: Machen Sie doch am | |
besten nur für 15 Minuten die Tagesschau an. Mehr an Coronanachrichten | |
brauchen Sie nicht. | |
Dürfen sie Besuch empfangen? | |
Ja, aber nur hinter einer Trennscheibe. Vorher durften die Kinder ihren | |
Vater zumindest kurz umarmen, das fällt jetzt auch weg. | |
20 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Finn Starken | |
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