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> Mit On-demand-Produkten für eine nachhaltigere Modeindustrie sorgen: Das | |
> hat sich das Bremer Unternehmen Woollaa vorgenommen | |
Bild: Mit made by Oma können die maschinengestrickten Schals noch nicht konkur… | |
Von Alina Fischer | |
Strickschals wie von Oma? Fast. Allerdings produziert das Bremer | |
Unternehmen Woollaa seine personalisierten Wollschals dann doch mit einer | |
industriellen Strickmaschine. Hergestellt wird nur, was zuvor tatsächlich | |
gekauft wurde. Woollaa, das sind Friederike und Florian Pfeffer. | |
Hauptsächlich betreibt das Designerpaar eine Agentur in der Neustadt. 2016 | |
gründeten sie das Schal-Unternehmen. Für diese Idee wurden sie, neben | |
anderen, zu den Kultur- und Kreativpiloten des Jahres 2020 gekürt. Diese | |
Auszeichnung vergibt die Bundesregierung jedes Jahr an 32 Unternehmen aus | |
der Kultur- und Kreativwirtschaft für besonders innovative Ideen. | |
Auf die Idee von „Knit-on-demand“ kamen die Pfeffers durch einen Film, in | |
dem jemand eine Handstrickmaschine hackte. „Wir dachten, es wäre | |
interessant das im großen Maßstab zu machen und jedem die Möglichkeit zu | |
geben, eine solche Maschine zu steuern“, erzählt Florian Pfeffer. Damit | |
wollen sie der Überproduktion der Modeindustrie entgegenwirken. Mit | |
zukunftsweisenden Design-Strategien hatte sich Pfeffer schon in seinem Buch | |
„To Do“ beschäftigt, das er neben seinen Tätigkeiten als Hochschullehrer | |
für Design schrieb. Seit 2019 ist er Landesvorstandssprecher der Bremer | |
Grünen. | |
Besagte Strickmaschine steht nun also im nordrhein-westfälischen Brakel. | |
Auf der Website des Unternehmens können Kund*innen entweder einen eigenen | |
Entwurf hochladen oder aus einem der vorgefertigten Designs wählen und | |
diese durch Farbkombination und Text personalisieren. Ist die Bestellung | |
abgeschickt, wird eine Datei erstellt. Die Strickmaschine kann sie lesen, | |
sie muss aber zuvor von einem Menschen geprüft werden. Für eine effiziente | |
Nutzung werden mehrere Bestellungen gesammelt. Sind genügend vorhanden, | |
reicht ein Knopfdruck und es wird losgestrickt. | |
Ein Problem bei On-demand- Produkten: Sie können in der Regel nicht | |
zurückgegeben werden. Vielleicht ist das aber ein Anreiz, sich vorher zu | |
überlegen, was man kaufen will. „Wenn jemand wirklich unzufrieden ist, | |
nehmen wir das Produkt schon zurück. Bisher hatten wir aber erst eine | |
Rücksendung“, sagt Friederike Pfeffer. Ihr Partner ergänzt: „Beim | |
CO2-Abdruck von Textilien ist der größte Impact die Nutzungsdauer. Große | |
Ketten bringen ja immer wieder neue Kollektionen auf dem Markt, damit die | |
Leute wiederkommen.“ Um dem entgegenzuwirken, setzen die zwei auf den | |
sogenannten Ikea-Effekt. | |
Der Begriff entstammt einer wirtschaftswissenschaftlichen Studie. Er | |
besagt, dass Menschen sich eher mit einem Produkt identifizieren und bereit | |
sind, mehr Geld dafür auszugeben, wenn sie an seiner Entstehung beteiligt | |
sind. Die Hoffnung: Die personalisierte Strickware wird zum Lieblingsstück | |
und wärmt den Hals möglichst lang. | |
Und die Wolle? „Das ist unser Schwachpunkt“, gibt Florian Pfeffer zu. | |
Zurzeit bestehen die Produkte aus einem Gemisch von 25 Prozent Schurwolle | |
und 75 Prozent Polyacryl. Auf der Website des Unternehmens wird diese | |
Mischung als bewusste Entscheidung ausgegeben, unter anderem, weil die | |
Ökobilanz von Kunstfasern besser sei als die von Naturprodukten. Stimmt. | |
Die Herstellung von Kunstfasern verbraucht im Vergleich zu Wollprodukten | |
deutlich weniger Wasser. Jedoch werden Kunstfasern wie Polyacryl aus Erdöl | |
hergestellt und weisen andere Tücken auf. | |
So rät die Deutsche Meeresstiftung vom Kauf solcher Produkte ab, da bei | |
jedem Waschgang Millionen kleine Synthetik-Fasern ins Wasser abgegeben | |
werden, das sogenannte Mikroplastik. Eine andere nachhaltigere Option wäre | |
recycelte Wolle. Die benutzt das Unternehmen nicht, da sie sich schwer | |
verarbeiten lasse. Die Fäden reißen schneller. Die Hoffnung sei, so Florian | |
Pfeffer, dass in den nächsten Jahren andere Garne auf den Markt kämen. Es | |
gebe da schon einiges an Forschung, um beispielsweise heimische Pflanzen | |
zur Textilherstellung zu nutzen. Kurzfristig wollen die beiden aber | |
zumindest auf reine Schurwolle als Naturprodukt umstellen. Die bekommen sie | |
aus Italien. | |
Der günstigste Woollaa-Schal liegt bei knapp 70 Euro. Gestalten lässt er | |
sich in bis zu vier Farben. Im Vergleich bietet der Ökomode-Hersteller | |
Hessnatur einen handgearbeiteten zweifarbigen Schurwoll-Schal für einen | |
ähnlichen Preis an – ohne Beimischung synthetischer Fasern. Wer Farbe oder | |
Individualität für nebensächlich hält, findet in Bremen zum Beispiel im | |
Bio-Kleiderladen Fairtragen deutlich preisgünstigere Varianten aus | |
zertifizierter Bio-Schurwolle. „Je besser wir den Prozess in den Griff | |
kriegen, desto günstiger werden wir die Produkte anbieten können“, sagt | |
Florian Pfeffer. Er ist der Meinung, dass sich auch Menschen mit | |
niedrigerem Einkommen nachhaltige Produkte leisten können. Das bedeute | |
allerdings, dass der eigene Konsum mehr durchdacht werden müsse. | |
Für die Zukunft haben die beiden große Pläne. Eine sogenannte ‚shared | |
factory‘ soll entstehen. Designer*innen könnten dann Prototypen ihrer | |
Kleidungsstücke direkt auf die Webseite laden. So sparen sie sich den | |
teuren und zeitintensiven Prozess, den Entwurf zuerst, und gegebenenfalls | |
in mehreren Anläufen, probehalber herzustellen, um ihn dann in Serie | |
produzieren zu können. Kauft ein*e Kund*in ein Produkt, wird der Auftrag an | |
die nächste verfügbare Maschine geschickt. Denn: „Je lokaler, desto | |
besser“, sagen die Pfeffers. Durch die Zusammenarbeit mit Strickereien an | |
mehreren Standorten wollen sie lange Lieferwege vermeiden und | |
Leerlaufzeiten von Strickereien effektiv nutzen. | |
11 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Alina Fischer | |
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