# taz.de -- DieDingefesthalten | |
> Der Fotograf Wolfgang Fröhling aus dem Ruhrgebiet hält mit seiner Reihe | |
> „Doppelhaushälften“ an etwas fest, das allmählich verloren geht | |
Bild: Bottrop-Welheimer Mark, Im Speckenbruch | |
Aufgewachsen ist der Fotograf Wolfgang Fröhling in Bottrop. Und er hätte | |
sich nicht träumen lassen, dass er einmal seinen Heimatort fotografieren | |
würde. Dort, in der Zechensiedlung, in der früher die Bergarbeiter wohnten, | |
ändere sich doch nie etwas. Alles blieb immer gleich, dachte er – und hat | |
sich die teuren Filme lieber für interessantere Auslandsreisen aufgespart. | |
Bis seine Nichte zum Studium nach Berlin ging. | |
Fröhling besuchte sie dort und fotografierte Fenster mit Plastikblumen, | |
Graffiti an den Wänden. Er glaubte, nun öfter in die Hauptstadt fahren zu | |
müssen. Für „Schabbeliges“, sagt er. Ein rheinisches Wort für krumm, | |
wackelig, alt. Dabei gibt es Schabbeliges nicht nur in Berlin, sondern auch | |
im Ruhrgebiet. Der Umweg über die Hauptstadt öffnete ihm die Augen – und so | |
fing er an, auch in seiner Heimat Sperrmüll zu fotografieren, Hinterhöfe | |
und alte Fassaden von Häusern. | |
Zechensiedlungen, wie Fröhling sie in seiner Serie „Doppelhaushälften“ | |
festhält, sind typisch für das Ruhrgebiet. Lange Zeit gab es aber kein | |
Bewusstsein für diese Baukultur. Erst als das Stahlwerk im Nachbarort | |
Oberhausen schloss und dort stattdessen plötzlich ein Einkaufszentrum | |
stand, war Denkmalschutz ein Thema. Zuvor waren die Häuser nach Schließung | |
der ersten Zechen privatisiert worden. Aus den einstigen | |
Vierparteienhäusern wurden Doppelhaushälften, wo statt drei nun sechs | |
Zimmer zur Verfügung standen. Die Türlauben vor den Häusern verschwanden, | |
die Türen aus Holz wichen solchen aus Aluminium, Ställe im Hinterhof neuen | |
Carports. Und weil alle längst Kühlschränke haben, lagen auch keine Äpfel | |
und Kartoffeln mehr vor dem Haus. | |
Wolfgang Fröhling fotografiert gerne Dinge, die im Begriff sind zu | |
verschwinden: „Wenn man es täglich sieht, fällt es nicht auf. Aber wenn es | |
weg ist, rennt man der Zeit nach und versucht die Dinge festzuhalten, die | |
noch da sind.“ So war es schon in Frankreich, als er vom Abriss bedrohte | |
Künstlersiedlungen in der Provence dokumentierte. | |
Für seine Serie fuhr Fröhling bis zu zwanzig Mal zu denselben Häusern. Das | |
Licht musste stimmen. Keine Autos sollten im Weg stehen, manchmal bat er | |
die Hausbewohner:innen sogar, es kurz wegzufahren. Kontrast ist ein | |
wichtiges Element in seinen Bildern. Die renovierte Wand auf der einen | |
Seite, die Backsteinfassade auf der anderen. Stechendes Rosa neben Weiß. | |
Auf der einen Seite fühlt es sich für Fröhling an wie eine Verschandelung | |
der soliden Häuser. Auf der anderen Seite weiß er: Das Leben ist kein | |
Museum. | |
Seine Fotos jedenfalls laden dazu ein, sich selbst bei einem Spaziergang in | |
der Heimat an den gewöhnlichsten Orten an etwas Außergewöhnlichem zu | |
erfreuen. Linh Tran | |
Die Serie ist Teil des „[1][Pixelprojekts Ruhrgebiet“], das als visuelles | |
Gedächtnis Fotos zum Strukturwandel der Region sammelt. | |
9 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de/ | |
## AUTOREN | |
Linh Tran | |
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