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# taz.de -- berliner szenen: Geld ist doch scheiße
Meine sechsjährige Tochter macht mit mir einen Schneespaziergang. Wir gehen
über den Zeppelinplatz Richtung Kanal, laufen über weiß getünchte Wiesen,
im Zickzack vorbei an dem gelben Schnee (don’t eat it!). Wir überlegen, ob
das Geräusch, das ensteht, knartsch, knartz oder doch eher hümpf ist. Wir
versuchen, Schneeflocken mit der Zunge aufzufangen, aber seltsamerweise
landen sie immer in den Augen. Wir überqueren die Brücke. Meine Tochter
liest derweil alle Beschriftungen, die sie finden kann, denn sie hat es
gerade gelernt: DSL, Tkaki 68, Makka Massakka.
Unter einer Brücke finden wir ihn. Er hat sich ein Bett gebaut, kleiner
Weihnachtsbaum steht da auch, paar leere Wasserflaschen. Er blinzelt uns
aus seinem Schlafsack heraus freundlich zu. Wir grüßen und gehen weiter.
Moment mal. Ensthaft? Wir bleiben stehen und beraten. Ich möchte ja auch
niemandem zu nahe treten. Vorsichtig trippeln wir zurück.
„Entschuldigung?“ – „Ja?“ – „Ähm, dürfen wir Ihnen vielleicht d…
geben?“ Ich hatte einen Zwanni eingesteckt, falls wir an heißer Schokolade
vorbeikommen. „Nee, danke. Ich möchte kein Geld.“
„Ach so. Hm. Wirklich nicht?“
„Geld ist doch scheiße! Geld, Geld Geld … und das am Anfang des Jahres!“
„Na ja, stimmt schon. Aber im Grunde ist es doch auch bloß Papier.
Vielleicht können Sie es gegen etwas eintauschen?“
„Nein, nein, kein Geld. Vielleicht bin ich dumm, aber Geld – nee, danke!“
„Können wir sonst irgendwas für Sie tun?“ Er grinst. „Kaffee? Ich versu…
es noch einmal mit dem blauen Papier: „Vielleicht wenn Sie den eintauschen
würden gegen Kaffee?“
Er winkt ab, wünscht uns ein gutes neues Jahr. Verkrümelt sich wieder in
seinen Schlafsack.
Kirsten Reinhardt
8 Jan 2021
## AUTOREN
Kirsten Reinhardt
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