# taz.de -- nord🐾thema: Das Wundermittel, das auf Bäumen wächst | |
> Apfelsaft, Apfelstrudel, Apfelkuchen – es gibt vieles, was der Apfel | |
> kann. Das beliebteste Obst der Deutschen gibt es in mehr als 5.000 | |
> Sorten. Es ist heilend und vielseitig | |
Bild: Wie die wohl schmecken? Apfelernte im Alten Land vor den Toren Hamburgs | |
Von Lissy Malethan | |
Äpfel gibt es immer, im Spätsommer als knackige, saftige Erfrischung und im | |
Winter als wärmender, süßer Apfelpunsch. Der Apfel nimmt unzählige Formen, | |
Geschmäcker und Konsistenzen an. Egal ob herzhaft oder süß – der Apfel | |
steht bereit. Er ist das beliebteste Obst hierzulande. Nicht zuletzt | |
deshalb gibt es zahlreiche Tipps zur Verarbeitung, Lagerung und Ernte der | |
Frucht, von der es Tausende verschiedene Sorten gibt. | |
Eckhardt Brandt ist Pomologe – Experte für Obst. In Norddeutschland erhält | |
und züchtet er verschiedene historische Obstsorten, unter anderem rund 300 | |
Apfelsorten. | |
Brandt sagt, dass man mit Äpfeln zwar vieles machen könne, aber nicht jeder | |
Apfel zum Kochen oder Backen geeignet ist. „Die sind nicht mit den | |
richtigen Inhaltsstoffen ausgestattet“, sagt er. Vor allem die Äpfel aus | |
dem Supermarkt seien dafür nicht geeignet. „Wenn ich die Plastikkugeln im | |
Supermarkt sehe, ist mir klar, dass ich gar nicht probieren muss, mit denen | |
zu kochen“, sagt Brandt. | |
Meistens seien die Äpfel im Supermarkt Abkömmlinge des Golden Delicious und | |
„nur pappig süß“, kritisiert Brandt. Andere Sorten hingegen würden beim | |
Erhitzen besondere Aromen entwickeln wie der Boskop. Das ist laut Brandt | |
einer der besten, im Handel erhältlichen Äpfel für die Verarbeitung. Der | |
Apfel sei universell verwendbar und habe eine „ordentliche Portion Säure“, | |
die für das Kochen und Backen erforderlich sei. „Sonst wird das alles ein | |
Labberkram, wenn man flaue, süße Tafeläpfel nimmt“, sagt der 70-Jährige. | |
Erkennen könne man am Aussehen des Apfels aber nicht, ob der zur | |
Verarbeitung geeignet ist, das müsse man ausprobieren nachschlagen. | |
Im kalten, rauen Norden beginnt die Apfelernte Mitte September. An einem | |
milden, trockenen Tag sind die Voraussetzungen für das Pflücken am besten. | |
Brandt erzählt, dass die Ernte sich immer weiter vorverlagere. „Das ist die | |
Auswirkung des Klimawandels“, vermutet er. „Es gibt kaum noch einen Winter, | |
die Vegetation startet früher.“ Dass es dann im April noch mal Frost gibt, | |
sei das größte Problem. Dann friere die ganze Blüte kaputt. „Die letzten | |
drei Jahre hatten wir eine kümmerliche Ernte“, erinnert sich der Pomologe. | |
Viele Erwerbsbauern setzen im Kampf gegen den Frühjahrsfrost das Prinzip | |
der Frostschutzberegnung ein. Die Blüten werden mit leichtem Nieselregen | |
bedeckt, das Wasser friert über der Blüte ein. Die Blüten werden in | |
Eispanzer gehüllt und isoliert, das schützt sie vorm Erfrieren. Diese | |
Anlagen verbrauchen viel Energie und Tausende Liter an Wasser, sind eher | |
Symptomlinderung als Problembeseitigung. | |
## 25,5 Kilo Äpfel pro Kopf | |
Aber diese Anlagen sichern uns einen Großteil unseres Apfelkonsums, der bei | |
einem*r Deutschen durchschnittlich 25,5 Kilogramm beträgt. Das sind rund | |
170 mittelgroße Äpfel jährlich. Eine starke Leistung. Am beliebtesten | |
hierzulande ist der saftige Elstar. Doch die Beliebtheit variiert von | |
Region zu Region. | |
„In der Fläche der norddeutschen Länder gibt es Lokalmatadore“, sagt | |
Brandt. Um Hamburg herum ist es dem Pomologen zufolge „natürlich der | |
Finkenwerder Herbstprinz“. Wenn er wählen müsste, wäre dies auch sein | |
Favorit. | |
„Bei den Bremern war es ganz eindeutig immer der Celler Dickstiel“, sagt | |
Brandt. Der sei vor 100 Jahren „im großen Stil“ in die Schrebergärten | |
gebracht worden. „Jetzt ist das Opas Apfel, den die Enkelkinder wieder | |
schmecken möchten“, sagt Brandt, „weil sie da so schöne Erinnerungen dran | |
haben.“ | |
Die Äpfel aus dem Norden, dem maritimen Klimabereich, sind ganz anders | |
beschaffen als die aus dem Süden. „Im Norden haben die Äpfel meistens eine | |
raue Schale“, sagt Brand. Im Süden wäre das ein Nachteil, weil der Apfel zu | |
schnell austrocknen würde. „Da brauchen die Äpfel eine festere, glattere | |
Schale“, sagt Brandt. | |
Wenn wir schon bei der Schale sind: Sie ist das Wertvollste am Apfel. | |
Direkt unter ihr sitzen die wichtigsten Nährstoffe, also am besten | |
mitessen. Man sagt außerdem nicht ohne Grund: „An apple a day keeps the | |
doctor away.“ Äpfel enthalten den Stoff Polyphenol, einen | |
entzündungshemmenden und krebsvorbeugenden Stoff. Wenn sich ein Apfel nach | |
dem Aufschneiden verfärbt, liegt das nur am Polyphenol, das mit Sauerstoff | |
reagiert. Ganz leicht zu verhindern ist die Oxidation mit ein paar Tropfen | |
Säure wie Zitronensaft oder Essig, die man nach dem Aufschneiden auf den | |
Apfel gibt. | |
Und wenn die Äpfel zu Hause schon nach ein paar Tagen runzelig werden, kann | |
man auch hier auf einiges achten. Die wichtigsten Bedingungen für eine | |
erfolgreiche Lagerung sind laut Brandt die niedrige Temperatur und eine | |
hohe Luftfeuchtigkeit. „Die Lagerung in einem guten Keller kann bis zum | |
Sommer klappen“, sagt Brandt, mehrere Monate also. | |
„Es gibt aber nur wenige Sorten die von Natur aus eine so lange Lagerdauer | |
haben“, warnt der Pomologe. „Die Profis können durch ihre Trickserei | |
einiges retten.“ Getrickst wird mit dem Einsatz verschiedener Gase und | |
Isolierungen. „Konservierungsmittel verstopfen die Poren, sodass kein | |
Stoffwechsel stattfindet“, sagt Brandt. So bleiben die Äpfel frisch und | |
behalten den Großteil ihrer Nährstoffe. | |
## Grenzen der Lagerfähigkeit | |
Über ein Jahr hinaus könne man Äpfel jedoch nicht lagern, fügt er hinzu. | |
Ein Jahr sei schon eine Herausforderung und bedürfe eines großen | |
technischen und energetischen Aufwandes. Da hilft dann nur das Verarbeiten. | |
Auch Brandt hat mit seinen Äpfeln schon alles mögliche probiert. Er erzählt | |
von Kompotten, Kuchen und Likören. „Aber der Geschmack von einem schönen | |
aromatischen Tafelapfel ist nicht zu toppen“, sagt er, „über roh geht | |
nichts.“ | |
19 Dec 2020 | |
## AUTOREN | |
Lissy Malethan | |
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