# taz.de -- corona in bremen: „Der Mensch selbst ist wie eine Seuche“ | |
Interview Sophie Lahusen | |
taz: Herr Philipps, Sie haben für die aktuelle Open Air Galerie | |
Landschaften des Bürgerparks während des ersten Lockdowns fotografiert und | |
nachträglich zu Frostlandschaften bearbeitet. Was war Ihre Idee dabei? | |
Ronald Philips: Das ist eine emotionale Geschichte: Der Lockdown kam, und | |
ich wollte eigentlich ein anderes Projekt für das Künstlerhaus Ausspann | |
machen, ein Integrationsprojekt. Das stand dann auf einmal vor dem Aus, und | |
das war so ein Schock, so ein „frösteliches“ Gefühl. Man stellt sich | |
Fragen: Wie geht es weiter? Muss ich in die Privatinsolvenz? Diese erste | |
Zeit war einfach sehr hart und ich bin immer wieder durch den Bürgerpark | |
gegangen, wie viele, weil es ja das Einzige war, was man machen konnte und | |
diese Lebendigkeit des Parks ist stehengeblieben. Es gab so einen | |
Stillstand, wie eingefroren, wie ein Winterschlaf, wie ein Bär in der Höhle | |
und diese Ruhe, diese Erschöpfung, der Moment der Hilflosigkeit, das hatte | |
so etwas Frostiges. Eigentlich war Frühling, alles blühte, aber gefühlt war | |
Herbst oder Winter. | |
Für viele war diese Zeit auch mit Existenzängsten und einem Gefühl der | |
Aufgewühltheit und der inneren Hektik verbunden. Das würde doch im | |
Gegensatz zum „Eingefrorensein“ stehen? | |
Ja, diese Hektik war da, aber man konnte sie nicht ausleben. Auch die | |
Existenzängste waren da, aber man musste sich vor allem solidarisch | |
erklären. Kulturstätten waren geschlossen und dem musste man sich hingeben. | |
Das ist eine Art von sozialer Kälte, ein so schwieriger Moment, wie eine | |
Schockstarre und da hat mir die Arbeit im Atelier sehr geholfen, etwas aus | |
diesen grünen Landschaftsbildern zu machen. | |
Sie sprechen von der sozialen Kälte – wieso dann trotzdem die Natur als | |
Motiv? | |
Weil Corona ganz klar auch ein Signal der Natur ist. Es ist die Natur, die | |
uns jetzt ausbremst. Es sind diesmal nicht wir Menschen, die eine | |
Kriegssituation oder eine finanzielle Notsituation geschaffen haben, | |
sondern die Natur fordert ihren Tribut und sagt Stopp. | |
Wieso ist es Ihnen als Künstler wichtig, sich mit Corona | |
auseinanderzusetzen? | |
Für mich bedeutet das ganz klar, sich mit sozialen Missständen auf der Welt | |
auseinanderzusetzen. Ich vergleiche das, was der Virus momentan mit der | |
Welt macht, gerne mit dem, was der Mensch mit der Welt macht. In den 80ern | |
gab es einen Witz: „Treffen sich zwei Planeten, sagt der eine 'Wie geht’s | |
dir?’, antwortet der andere 'Ich hab den Menschen’.“ Der Mensch selbst ist | |
wie ein Virus, wie eine Seuche und damit versuche ich zu spielen. Um | |
Menschen vielleicht anzustupsen, dass wir nicht besser sind als der Virus. | |
Wie er wollen wir auch nur überleben und machen durch unsere Existenz | |
vieles kaputt. Der Virus will uns benutzen, um zu überleben und für dieses | |
Gleichgewicht, wie wir uns schützen können, haben wir noch keine Lösung | |
gefunden. Ich denke da gibt es eine große Fehleinschätzung der Menschen | |
über die Situation. | |
Denken Sie, die Menschen haben momentan schon eine Bereitschaft, sich mit | |
Kunst und Kultur zum Thema Corona zu beschäftigen? | |
Ich denke, aktuell wollen viele da noch nicht reflektieren. Für mich ist | |
diese Open Air Galerie einfach ein Angebot an Kultur und nicht ein Angebot | |
an Auseinandersetzung mit Corona. Es geht vor allem darum, einen | |
Begegnungsort und eine Kulturstätte zu schaffen, unter Corona-Bedingungen. | |
Ich gebe da mit meinen Bildern nur ein Startsignal. | |
Wie sieht die Open Air Galerie aus? | |
Auf dem ehemaligen Kellogg’s-Gelände in der Überseestadt haben wir entlang | |
einer langen Lagerhalle 15 große Banner angebracht. | |
23 Dec 2020 | |
## AUTOREN | |
Sophie Lahusen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |