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# taz.de -- Nachruf von Wolfgang Zügel auf taz-Mitgründer Benedict M. Mülder…
Man trifft sich immer mehrmals im Leben, heißt es so flapsig. Ab 1978
gehörten Benedict und ich zu den Gründern der taz. In der Arbeitsgruppe und
dem Ressort „Betrieb und Gewerkschaft“ – heute „Wirtschaft und Umwelt�…
entwickelten wir Konzepte, wie man anders über das Arbeitsleben und die
Wirtschaft berichten könnte, abseits des Mainstreams. Wir stellten die
Bedürfnisse der Beschäftigten in den Vordergrund.
Mit dem täglichen Erscheinen der taz im April 1979 entwickelte sich eine
Dynamik in der Redaktion, unsere Wege trennten sich, und so ging ich bald
in die Nachrichtenredaktion und Benedict, gut ein Jahr später, ins
Berlin-Ressort. Wir verloren uns aus den Augen, Benedict verließ noch vor
mir die taz.
Doch dann lud er mich zu seinem 50. Geburtstag auf eine Bootsfahrt auf der
Spree ein, und neue Verbindungen knüpften sich. Schließlich waren wir nicht
nur Redakteure, wir waren auch Freunde, fuhren zusammen nach Italien an den
Strand und auch zum Skifahren. Benedict war längst in die Fernsehbranche
gewechselt, aber dass wir beide in Friedenau wohnten, ließ die Bande wieder
enger werden.
Als bei ihm 2008 ALS (Amytotrophe Lateralsklerose), eine unheilbare
Nervenkrankheit, diagnostiziert wurde, wollte ich mich um ihn kümmern. „Wir
stehen das gemeinsam durch“, sagte seine liebevolle Frau Dagmar zu ihm, und
die beiden heirateten.
Der Verlauf der Krankheit zeichnete ihn schwer. Anfangs konnte er sich noch
mit einem Rollator helfen, dann war Benedict auf den Rollstuhl angewiesen,
aber mit der Arbeit aufhören, das kam für ihn nicht infrage. Er produzierte
Beiträge für das Fernsehmagazin „Kontraste“. Im Frühjahr 2012
verschlechterte sich sein Zustand so stark, dass er künstlich beatmet
werden musste, um weiterleben zu können. Mit ihrem eigenen
Intensivpflegedienst betreute Dagmar ihren Mann zu Hause.
Aber eines der wichtigen Kommunikationsmittel fehlte, er konnte nicht mehr
sprechen. Die künstliche Atemluft ging direkt in die Lunge, nicht mehr
durch die Stimmbänder. Augen, Gehör, vor allem sein Kopf funktionierten
bestens. Besucher empfing er mit einem freundlichen „Hallo, schön, dass du
da bist“, mithilfe seines Sprachcomputers, den er über eine Tastatur mit
seinen Augen steuerte.
## Einer, der sich einmischt
Benedict war nicht der Mensch, der aufgibt, sondern einer, der sich
einmischt. Im April 2015 debattierte der Deutsche Bundestag die
Legalisierung der Sterbehilfe. In einem Aufmacher des Tagesspiegels
plädierte er vehement dagegen: „Die Lebendigkeit des Menschen wird nicht
prinzipiell durch eine schwerwiegende Krankheit infrage gestellt. Auf
Hilfe, aufeinander angewiesen sein ist keine Schande. Der eine trage des
anderen Last“, schrieb der inzwischen gläubige Katholik.
Schon bei Besuchen vorher stellten wir eine andere, gemeinsame Vorliebe
fest: Beide waren wir Fans der Schauspielerin Nina Hoss. Benedict
vielleicht auch, weil er ihren Vater, den grünen Bundestagsabgeordneten
Willi Hoss, kannte. Wir guckten Filme mit ihr, aber sie spielte ja in
Berlin im Theater. Du besorgst die Tickets für Rollstuhl und Begleitung,
und ich organisiere den Transport, die Betreuung und die Beatmung, sagte
seine Frau. Nina Hoss live, in „Hedda Gabler“ im Deutschen Theater, rührte
Benedict zu Tränen. Um ihm Kontakt zu seinen taz-Mitstreitern zu
ermöglichen, trafen wir uns vor der Verleihung des taz-Panterpreises in der
Schumannstraße, ein Wiedersehen mit vielen alten tazlern.
Seine Krankheit forderte ihren Preis, das Bewegen der Muskeln ließ nach,
Benedict konnte die Augen nur noch mühsam öffnen, aber er konnte hören. Und
weil ich vor vielen Jahren öfter mit ihm beim Jazzfest war, wusste ich um
sein Interesse an Jazz, an Freejazz. Und so pilgerten wir vor gut einem
Jahr in den Zig Zag Jazz Club in Friedenau. Selbst die Kameraleute, die uns
damals begleiteten, berichteten, so lebendig hätten sie ihn während der
Dreharbeiten fürs ZDF nie erlebt. Ihr Bericht über Benedict lief im Sommer
in der Reihe „37 Grad“.
„Mein Herz hüpft vor Freude, wenn ich meine Frau kommen höre“, schrieb er
mal im Tagesspiegel. Jetzt schlägt sein Herz nicht mehr. Benedict starb am
Abend des 16. Dezember in Berlin.
der tag
21 Dec 2020
## AUTOREN
Wolfgang Zügel
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