Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- nord🐾thema: Ein schöner Titel mit viel heißer Luft darin
> Seit 2017 gibt es in Deutschland die
> Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung – die Bilanz nach drei
> Jahren fällt aber eher kritisch aus: Vielfach ist die Ausbildung nun
> kürzer
Bild: Konfliktlösung ist überall Thema: auch mal im Bus
Von Sebastian Krüger
In Deutschland darf sich jede*r Mediator nennen. Seit dem 1. September
2017 dürfen sich aber nur noch diejenigen auch als „zertifizierte
Mediatoren“ bezeichnen, die eine bestimmte Ausbildung absolviert, mehrere
Praxisfälle mediiert und in Supervisionen reflektiert sowie regelmäßig
Fortbildungen besucht haben. So legt es die
Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung fest, die den Berufsstand
stärken soll. Drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten hat sie die Branche zwar
auf vielen Ebenen verändert, Ausbilder*innen und Institute bewerten die
Folgen nicht nur positiv.
Monika Hartges vom Hamburger Institut für Mediation, Konfliktmanagement und
Ausbildung (IMKA) kritisiert die fehlende Einheitlichkeit der Ausbildung.
So gebe es nach wie vor keine Einrichtung, die sicherstelle, nach welchen
Standards zertifiziert wird und wer überhaupt zertifizieren darf. Der
Begriff Mediator*in sei zudem keine geschützte Berufsbezeichnung. „Jeder
darf sich selbst zertifizierter Mediator nennen.“ Es klinge so, als würde
tatsächlich ein Zertifikat verliehen, was ihrer Ansicht nach eine
Fehlinformation der Kund*innen ist.
Auch der neu vorgeschriebene Mindestumfang der Ausbildung dient nicht immer
der Qualitätssicherung. 120 Stunden muss die Ausbildung umfassen. Zudem
schreibt die Verordnung vor, dass Auszubildende in diesem Zeitraum
mindestens einen eigenen Fall bearbeiten und in die Supervision einbringen
müssen. Anerkannte Ausbilder*innen jedoch hätten schon vor dem Erlass
deutlich höhere Kriterien angesetzt, sagt Hartges. Die großen
Bundesverbände, an deren Vorgaben sich das IMKA und viele weitere Institute
orientieren, verlangen 200 Stunden sowie vier eigene Fälle. Sie selbst
würde sich nicht zertifizierte Mediatorin nennen – dann würde jeder
vermuten, dass dahinter nur 120 Stunden Ausbildung stehen. Seit
Inkrafttreten der Verordnung würden deutlich mehr Interessierte nachfragen,
warum die Ausbildung an ihrem Institut länger dauere als nötig.
„Mediatoren sind neutrale Dritte“, erklärt Hartges. „Das hört sich einf…
an, ist aber schwierig, weil man immer mit der einen oder der anderen Seite
empathischer ist.“ Spätestens am Schluss müssten ihre Auszubildenden die
erforderliche Neutralität mit ihren eigenen Fällen dokumentieren. Die
Teilnehmer*innen müssten über das Ausbildungsjahr zeigen, dass sie in
der Praxis, der Methodenanwendung und der Reflektion ihrer eigenen
Verwicklung immer besser werden. Nach dem zweiten Ausbildungsblock könnten
sie erste eigene Fälle bearbeiten. So machten sie ihre ersten Erfahrungen
nicht allein, sondern unter professioneller Anleitung. Für Hartges ist das
praktische Können wichtiger, als wissenschaftliche Arbeiten darüber
schreiben zu können.
Harald Pühl vom Berliner Institut Triangel ist mit der Neuordnung ebenfalls
nicht glücklich. Ebenso wenig mit dem Einfluss, den das Gesetz auf den
Markt habe: Die minimale Ausbildungsdauer von 120 habe dazu geführt, dass
manche Institute ihren Umfang gesenkt hätten. Pühl spricht von einem
spürbaren Druck durch Interessierte. „Unsere Ausbildung kostet fast doppelt
so viel wie eine über 120 Stunden – als Kunde würde ich mich auch fragen,
warum.“
200 Stunden seien ein gut vertretbares Minimum, findet er. Man müsse als
Mediator*in intuitiv handeln können, und dafür brauche es ausreichend
Übung und Erfahrung. Sein Institut orientiere sich in der Ausbildung an den
Kriterien des Bundesverbandes Mediation (BM) und des Bundesverbandes
Mediation, Wirtschaft und Arbeit (BMWA). Das Institut Triangel habe zwar
den Ausbildungsumfang von 200 Stunden auf 160 reduziert, dazu kämen jedoch
zwei Aufbaumodule à 20 Stunden, die innerhalb von zwei Jahren nach
Ausbildungsende absolviert werden müssten, womit die Ausbildung doch wieder
200 Stunden umfasse. „Ein guter Kompromiss“, findet Pühl.
Er warnt davor, der Selbstbezeichnung „zertifizierter Mediator“ mit allzu
großer Ehrfurcht zu begegnen. „Dahinter stehen meist 120 Stunden Ausbildung
ohne einheitlichen Abschluss.“ Es sei ein ungeschützter Titel mit viel
heißer Luft darin. Im Zweifelsfall könne sich jeder so nennen, bis er
verklagt wird. Was bedeutet die Verschlankung für das Berufsbild? „Es wird
keinen Zuwachs am Renommee geben“, sagt Pühl nach einigen Augenblicken
Bedenkzeit. Die Arbeit werde sicher darunter leiden, wenn vermehrt
Mediator*innen mit „Light-Ausbildung“ auf den Markt losgelassen würden.
Pühl hört vermehrt von Parteilichkeiten und anderen groben Fehlern. Er
vermutet einen Zusammenhang zwischen schlechter Arbeit und verkürzter
Ausbildung.
Neben der Ausbildung an Instituten führt auch ein akademischer Weg ins
Metier der Mediation. So etwa der Masterstudiengang Mediation und
Konfliktmanagement an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).
In drei oder wahlweise vier Semestern lernen die Studierenden neben dem
praktischen Handwerk auch wissenschaftliche Theorie. „Wer bei uns studiert,
hat neben dem akademischen Titel auch die Lizenzen der großen
Bundesverbände“, sagt die wissenschaftliche Leiterin Kirsten Schroeter. Sie
lebt in Hamburg und betreibt neben ihrer akademischen Lehrtätigkeit
zusammen mit vier Kolleg*innen das Mediationszentrum Altona.
Die Neuordnung hält sie generell für sinnvoll, einen Einfluss auf ihr
Studium sieht sie jedoch nicht. Sollte der Gesetzgeber aber doch noch eine
einheitliche praktische Abschlussprüfung vorschreiben, würde sie jedoch
überlegen, wie sie diese ins Studium integrieren könnte. Es sei durchaus
vernünftig, ein Mindestmaß an Ausbildungsinhalten zu definieren,
schließlich sei Mediation eine durchaus anspruchsvolle Dienstleistung.
Einen positiven Einfluss scheint die Verordnung zu haben: Nach Schroeters
Einschätzung würden kaum noch Mediationsausbildungen einen geringeren
Umfang als die vorgegebenen 120 Stunden umfassen. Allerdings habe sie
beobachtet, dass einige Anbieter*innen ihre Ausbildungsdauer auf 120
Stunden verkürzen, um Klient*innen zu halten oder nicht abzuschrecken.
Vom Umfang und den inhaltlichen Ansprüchen seien die Studiengangsinhalte
schon vor der Neuordnung weit über die gesetzliche Mindestanforderung
hinausgegangen. „Wir waren schon vorher außer Konkurrenz“, sagt sie. Weder
inhaltlich noch strukturell habe es Veränderungen gegeben. Obwohl es sich
um einen Master-Studiengang handelt, können auch Berufstätige ohne
akademischen Abschluss teilnehmen. Diese Studierenden würden mitunter
Unterstützung für den wissenschaftlichen Teil benötigen, dafür aber ihre
praktischen Erfahrungen mitbringen. Viele kämen aus beratenden oder
pädagogischen Berufen, in denen sie häufig mit Konflikten und schwierigen
Entscheidungen zu tun haben.
23 Jan 2021
## AUTOREN
Sebastian Krüger
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.