Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- tazđŸŸthema: Weicher Fußabdruck
> Soft Foot Alliance: Eine kleine NGO in Simbabwe setzt sich fĂŒr den Schutz
> von Löwen ein und bietet Menschen, die am Rande des Nationalparks leben,
> eine Perspektive. Nur so ist Tier und Mensch geholfen
Bild: Brent Stapelkamp (vorne rechts) im Kreise seiner Kollegen im Hwange-Natio…
Von Martin Kaluza
Brent Stapelkamp lebt am Rande des Hwange-Nationalparks im Westen
Simbabwes, und er ist ein leidenschaftlicher Freund der Löwen. Er hat sie
als Safari-Guide und Tierfotograf beobachtet, ihr Verhalten erforscht, er
trĂ€umt von ihnen. Und er hat eine Initiative gegrĂŒndet, die die Löwen dort
schĂŒtzen will, wo sie besonders gefĂ€hrdet sind: in den Dörfern, die knapp
außerhalb des Nationalparks gelegen sind, denn dort werden sie als Gefahr
angesehen. „Jahrelang habe ich den Schutz der Löwen vor allem aus der
Perspektive der Tiere gesehen“, sagt Brent Stapelkamp. „Dann wurde mir
klar: Man kann das Problem nur lösen, wenn man die Perspektive der Menschen
einnimmt, die es betrifft.“
2016 grĂŒndete Stapelkamp die Soft Foot Alliance, die die Konflikte
entschÀrfen soll. Löwen sind nÀmlich nicht nur von Wilderei oder
TrophÀenjÀgern bedroht. Ihnen wurde es in der Vergangenheit oft zum
VerhĂ€ngnis, wenn sie den Nationalpark verließen. „Vierzig Prozent der Löwen
hier sterben aus Vergeltung, weil sie Rinder getötet haben. Wir haben uns
gedacht: Wenn du das Vieh retten kannst, rettest du die Löwen.“
Stapelkamp wuchs in der Hauptstadt Harare auf. WĂ€hrend es seine Familie
nach Europa zog, blieb er im Land und lebt heute mit Frau und Kind in einem
traditionellen Dorf am Rand des Hwange-Nationalparks, rund 180 Kilometer
sĂŒdöstlich der Stadt Victoria Falls. Zehn Jahre lang arbeitete er als
Feldforscher fĂŒr das Hwange-Löwenprojekt, das zum Forschungsprogramm
WildCRU der UniversitÀt Oxford gehört. Er stattete Löwen mit Peilsendern
aus und studierte ihr Verhalten. Cecil, den berĂŒhmtesten Löwen des Parks,
der vor fĂŒnf Jahren von einem amerikanischen TrophĂ€enjĂ€ger getötet wurde,
kannte Stapelkamp sozusagen persönlich – er hatte ihm das Peilhalsband
umgelegt.
„In den Dörfern entlang des Hwange-Nationalparks leben die Menschen von 30
Cent im Monat pro Haushalt“, sagt Stapelkamp. Viele Familien besitzen eine
oder zwei KĂŒhe und eine Ziege, um zu ĂŒberleben. Wenn sich einem solchen
Dorf ein Löwe nĂ€hert und Vieh reißt, ist das fĂŒr die Familien eine
Katastrophe. Vielerorts denken die Bewohner, das Problem sei dadurch zu
lösen, dass man die Löwen vergiftet. Die Soft Foot Alliance zeigt, dass es
bessere Wege gibt.
„Wir wissen, dass Löwen keine Rinder reißen, die sie nicht sehen – selbst,
wenn sie sie riechen. Wir haben also transportable Bomas gebaut“, erklĂ€rt
Stapelkamp. Das sind im Prinzip mannhohe, blickdichte Gehege aus
Stoffbahnen, die man leicht umsetzen kann. Abends wird das Vieh mit einem
solchen Zaun umschlossen, der Zaun zum Schutz des Bodens von Zeit zu Zeit
umgesetzt. „Seit wir das so machen, ist kein einziges Rind von einem Löwen
oder einer HyĂ€ne in einem Boma angegriffen worden“, sagt Stapelkamp.
Er machte zudem eine soziale Komponente aus. Oftmals wurde Vieh dann von
Löwen gerissen, wenn es beim Weiden weit vor den Dörfern sich selbst
ĂŒberlassen blieb. Das geschah zuletzt immer hĂ€ufiger, weil das ViehhĂŒten
unter jungen MĂ€nnern als unattraktive TĂ€tigkeit gilt, als Sackgasse. „Wir
haben uns deshalb ĂŒberlegt, wie wir das HĂŒten zu einem Job mit Perspektive
machen können“, sagt Stapelkamp. Die Initiative entwickelte ein Konzept,
um zunÀchst den Arbeitsaufwand zu reduzieren: Wenn man Kleinherden
zusammenlegt, kommt man mit weniger Hirten aus. In der gewonnenen Freizeit
bekommen die Hirten von der Soft Foot Alliance einen Schreinerkurs,
vielleicht auch bald Schweißkurse. „Nach zwei Jahren HĂŒten kann sich ein
junger Mann damit einen Job in Victoria Falls suchen, und dann macht sein
jĂŒngerer Bruder weiter“, sagt Stapelkamp. „So kann man eins nach dem
anderen abhaken: Jemand passt auf das Vieh auf. Die Löwen sind sicher, weil
sie kein Vieh töten. Und man bringt zudem die Community voran.“
Außerdem zeigt die Soft Foot Alliance in Workshops, die der Schule der
Permakultur folgen, wie man einen holzsparenden Raketenofen baut, Felder
durch geschicktes Platzieren von Bienenstöcken vor Elefanten schĂŒtzt und
Regenwasser effizient sammelt – praktische Dinge, die das Leben in
einfachsten VerhÀltnissen erleichtern. Die ersten Kurse wurden aus der Big
Cats Initiative von National Geographic finanziert, seitdem helfen Spenden
und kleine Stipendienprogramme.
Stapelkamps Nachfolger im Löwenprojekt der Uni Oxford, Lovemore Sibanda,
stammt ebenfalls aus Simbabwe, er wuchs in einem der Dörfer beim
Hwange-Nationalpark auf. Sibanda hat gerade seine Promotion ĂŒber das
Verhalten von Löwen und die Koexistenz von Mensch und Löwe abgeschlossen.
Er hat die Ideen, die Stapelkamp mit der Soft Foot Alliance verfolgt, in
den letzten Jahren sozusagen wissenschaftlich begleitet. Er zeigt und
praktiziert, dass sich die Löwen sogar ganz gewaltlos in den Nationalpark
zurĂŒckdrĂ€ngen lassen. Sobald eines der PeilhalsbĂ€nder meldet, dass ein Löwe
naht, alarmiert Sibanda sein Team aus LöwenwÀrtern. Die machen dann mit
Vuvuzelas Krach, bis der Löwe sich zurĂŒckzieht. „Das funktioniert“, sagt
Sibanda. „Und je öfter man das macht, desto mehr lernen die Löwen.“
Dass Löwen den Dörfern und dem Vieh ĂŒberhaupt so nah kommen, ist kein
natĂŒrliches Verhalten. „Löwen mögen ihre natĂŒrliche Beute viel lieber als
Vieh. Und sie haben auch Angst vor Menschen, allein der aufrechte Gang ist
ihnen suspekt“, sagt Stapelkamp. Und sie wĂŒrden in ihrem Lebensraum
bleiben, wenn es nicht die Wilderer gÀbe. Er und Sibanda haben beobachtet,
dass sich vor allem Weibchen mit Jungtieren in die NĂ€he der Menschen
trauen, wenn das MÀnnchen getötet wurde. Sie tun das, um ihren Nachwuchs zu
schĂŒtzen, denn das nĂ€chste MĂ€nnchen, das sich mit einer Löwin paart, wĂŒrde
zunÀchst einmal den Nachwuchs des VorgÀngers töten. Dass sich die Soft Foot
Alliance also ĂŒberhaupt mit dem EntschĂ€rfen des Mensch-Wildtier-Konflikts
befassen muss, ist auch eine Folge der Wilderei.
www.softfootalliance.org
www.wildcru.org
5 Dec 2020
## AUTOREN
Martin Kaluza
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.