# taz.de -- heute in bremen: „Das Stigma ist noch da“ | |
Interview Alina Fischer | |
taz: Ist HIV heutzutage überhaupt noch ein Problem, Frau Kaufmannn? | |
Christiane Kaufmann: Inzwischen gibt es in Deutschland eine sehr gute | |
medizinische Versorgung. Das sah Mitte bis Ende der Neunziger Jahre noch | |
anders aus. Inzwischen gibt es mehr als 20 verschiedene Wirkstoffe gegen | |
HIV. Wenn die Erkrankung frühzeitig erkannt und therapiert wird, sind die | |
Lebenserwartungen die gleichen wie bei gesunden Menschen. Was viele nicht | |
wissen, ist, dass sich die Viren bei einer gut eingestellten Therapie | |
irgendwann gar nicht mehr vermehren und die Krankheit auch nicht mehr | |
übertragen wird, etwa beim Sex. Natürlich gibt es aber noch die psychische | |
und die gesellschaftliche Komponente. Besonders das gesellschaftliche | |
Stigma ist noch da. Es belastet Menschen. Oftmals wollen sie sich ungern | |
outen, weil sie Angst haben, durch ihre Krankheit Nachteile zu erfahren. | |
Wie viele Infizierte gibt es in Bremen? | |
Ende 2019 lebten hier schätzungsweise 1.500 Menschen, die mit HIV infiziert | |
sind. | |
Zum diesjährigen Welt-Aids-Tag legen Sie den Fokus auf die Arbeitswelt. | |
Warum? | |
Viele Menschen trauen sich nicht, sich an ihrem Arbeitsplatz zu outen. | |
Tatsächlich berichteten viele, die sich geoutet haben, dass sie danach | |
Diskriminierung erfuhren: Sie wurden von anderen gemieden, erhielten keine | |
Beförderung oder wurden sogar gekündigt. Solche Berichte fördern natürlich | |
die Angst vor einem Outing. Gerade der Arbeitsplatz ist aber für viele | |
Erkrankte eine wichtige Komponente des Alltags. Er gibt ihnen Stabilität | |
und das Gefühl, ein ‚normales’Leben zu führen sowie ein wichtiges Mitglied | |
der Gemeinschaft zu sein. | |
Was hat es mit der Deklaration #positivarbeiten auf sich? | |
Arbeitgebende verpflichten sich damit, Diskriminierung am Arbeitsplatz | |
aktiv entgegenzuwirken. Inzwischen gibt es bundesweit schon über 100 | |
Unterzeichner*innen, darunter zwei aus Bremen. | |
Was kann ein Unternehmen konkret tun? | |
Viele Unternehmen sagen, in ihrer Unternehmenskultur sei so etwas | |
selbstverständlich. Das ist schön. Viel wichtiger ist aber die spezifische | |
Ansprache, zum Beispiel auf den Social-Media-Kanälen des Unternehmens oder | |
auf der Firmen-Website. Es sollte aktiv benannt werden, dass Betroffene im | |
Unternehmen Unterstützung erfahren werden, quasi ein: „Wir stehen hinter | |
euch.“ Außerdem kann es sinnvoll sein, eine Ansprechperson in der Firma zu | |
haben, an die sich HIV-positive Arbeitnehmer*innen wenden können. | |
1 Dec 2020 | |
## AUTOREN | |
Alina Fischer | |
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