# taz.de -- tazđŸthema: Mehr Licht! | |
> Wenn im Herbst die Tage kĂŒrzer und die NĂ€chte lĂ€nger werden, verdunkelt | |
> sich bei vielen Menschen auch die Stimmung. Eine Lichttherapie kann | |
> helfen | |
Bild: Kinder in Murmansk, wo die Nacht im Winter lange andauert, kommen tĂ€glic… | |
Von Cordula Rode | |
âSehnsucht nach Licht ist des Lebens Gebot.â Diese Worte Henrik Ibsens | |
sprechen in der dunklen Jahreszeit vielen Menschen aus dem Herzen. Die | |
saisonale Depression betrifft nach aktuellen Studien bis zu 25 Prozent der | |
Bevölkerung und löst in etwa die gleichen Symptome aus wie eine klinische | |
Depression: Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Gereiztheit oder | |
Freudlosigkeit. Oft begleiten diese EinschrÀnkungen die Betroffenen bis ins | |
FrĂŒhjahr hinein. Ursache ist der Lichtmangel, der im Körper fĂŒr einen | |
verÀnderten Tag-Nacht-Rhythmus sorgt und ein Ungleichgewicht der Hormone | |
und Botenstoffe im Gehirn auslöst. Dabei stehen die Neurotransmitter | |
Serotonin und Melatonin im Mittelpunkt. Das Tageslicht aktiviert im Körper | |
das stimmungsaufhellende Serotonin und hemmt die Bildung des Schlafhormons | |
Melatonin, das alle aktivierenden Prozesse des Körpers herunterfÀhrt. Wenn | |
das Licht fehlt, ĂŒbernimmt bei manchen Menschen Melatonin das Kommando. | |
Im Prinzip ist dieser Vorgang eine Art Vorbereitung auf die Winterruhe, die | |
evolutionÀr sinnvoll war, solange der Mensch allein auf das Tageslicht | |
angewiesen war: Der Körper geht in den Energiesparmodus â was angesichts | |
unserer heutigen LebensumstĂ€nde aber wenig wĂŒnschenswert ist. Eine bewĂ€hrte | |
und erfolgreiche Methode, um den Körper daran zu hindern, in diese | |
Ruhestellung zu gehen, ist die Lichttherapie. | |
âDie saisonale Depression macht ungefĂ€hr 5 bis 10 Prozent aller | |
diagnostizierten Depressionen ausâ, sagt Oliver Pogarell. Auch, wenn diese | |
Form der Depression oft eine weniger dramatische Symptomatik aufweist, ist | |
sie keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen, erklÀrt der | |
stellvertretende Direktor der Psychiatrischen Klinik des LMU-Klinikums in | |
MĂŒnchen. âSymptome, die auf eine Depression hinweisen und lĂ€nger als 14 | |
Tage anhalten, sollte man immer ernst nehmen.â Auch eine Winterdepression | |
könne einen schweren Verlauf haben. Die Lichttherapie sei dabei eine | |
bewĂ€hrte Möglichkeit, den Betroffenen zu helfen: âUngefĂ€hr 60 bis 70 | |
Prozent der Behandelten verspĂŒren eine Besserung, die oft bereits nach | |
wenigen Tagen einsetzt.â Wichtig dabei sei das konsequente Fortsetzen der | |
Behandlung, denn die Lichttherapie wirkt nicht nachhaltig, sondern akut. | |
Optimal ist die Kombination mit einer gesunden LebensfĂŒhrung mit viel | |
Bewegung und angemessener ErnÀhrung. | |
Zum Einsatz kommen dabei Kunstleuchten mit einer StÀrke von bis zu 10.000 | |
Lux und blendfreiem weiĂem Licht. Ein stĂ€ndiger direkter Blick in die | |
Lichtquelle ist dabei nicht nötig; es genĂŒgt, die Augen regelmĂ€Ăig in | |
Richtung der Lampe zu richten. Optimal ist es, das Licht direkt am Morgen | |
zu nutzen, jeweils fĂŒr eine halbe Stunde. Tageslichtlampen sind zu | |
erschwinglichen Preisen erhĂ€ltlich â dennoch empfiehlt es sich, vor der | |
Eigenbehandlung einen Arzt zu Rate zu ziehen, einerseits zur | |
Diagnosesicherung, andererseits zur Vermeidung von Nebenwirkungen zum | |
Beispiel bei Augenerkrankungen. Neben speziellen Tageslichtlampen kann auch | |
der Einsatz der sogenannten Vollspektrumlampen sinnvoll sein. Sie bilden | |
das gesamte Spektrum des Tageslichts ab und werden zum Beispiel als Decken- | |
und Tischlampen eingesetzt. Untersuchungen zufolge kann der Einsatz einer | |
solchen Beleuchtung am Arbeitsplatz einer Winterdepression sogar vorbeugen. | |
Auch bei klinischen Depressionen kann diese Therapie zumindest als ein | |
Baustein der Behandlung Licht ins Dunkel bringen, da auch hier oft eine | |
Störung des Serotoninspiegels eine der Ursachen ist. Karsten, der an | |
starken Depressionen litt, erlebte die positiven Auswirkungen im Rahmen | |
einer stationĂ€ren Behandlung. âAm Anfang fand ich es schrecklichâ, erinnert | |
sich der 55-JĂ€hrige. Es sei aufgrund der durch die Depression verursachten | |
inneren Unruhe quĂ€lend gewesen, untĂ€tig vor der Lampe verharren zu mĂŒssen. | |
âAber nach einiger Zeit Ă€nderte sich das â ich kam zur Ruhe und empfand die | |
Therapie als angenehm.â | |
In der Dermatologie wird die Therapie mit Licht schon seit Jahrzehnten | |
erfolgreich eingesetzt. Hier wird UVA- und UVB-Strahlung eingesetzt, um | |
Hautkrankheiten wie Schuppenflechte, Neurodermitis und Allergien zu | |
lindern. Der spezielle WellenlÀngenbereich bewirkt eine Herunterregulierung | |
des Immunsystems in der Haut und hemmt das Wachstum der Zellen der oberen | |
Hautschicht. Dies fördert die Abheilung der entzĂŒndlichen | |
HautverÀnderungen. | |
Im Gegensatz zur Lichttherapie gegen Depressionen dĂŒrfen diese Behandlungen | |
ausschlieĂlich unter Ă€rztlicher Kontrolle durchgefĂŒhrt werden. Eine | |
aktuelle Studie des UniversitÀtsklinikums Freiburg hat eine weitere | |
vielversprechende Einsatzmöglichkeit der Lichttherapie gezeigt, die vielen | |
Hautkrebspatienten helfen kann, die unter den schweren Nebenwirkungen der | |
medikamentösen Therapie wie Hautausschlag oder Durchfall leiden. | |
Dabei wird nicht der Patient selbst bestrahlt â Immunzellen werden | |
auĂerhalb des Körpers mit einem lichtreaktiven Medikament versetzt, mit | |
UV-Licht behandelt und in den Körper zurĂŒckgegeben. Durch das Verfahren | |
werden vermutlich Immunzellen aktiviert, die die EntzĂŒndung stoppen. | |
21 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Cordula Rode | |
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