# taz.de -- petition der woche: Wer rettet den Rettungsdienst? | |
Wenn die Mitarbeitenden des Rettungsdienstes gerufen werden, muss es | |
schnell gehen: 90 Sekunden Zeit haben sie bis zum Ausrücken, acht bis 15 | |
Minuten, um beim Einsatzort einzutreffen. Dort erarbeiten sie Diagnosen, | |
verabreichen Medikamente, beleben Patient*innen wieder oder tragen sie zum | |
Einsatzfahrzeug. Ein ebenso fester Bestandteil des Berufs ist die | |
Bereitschaftszeit auf der Rettungswache: Fahrzeuge müssen gecheckt, | |
Dokumentationen erstellt werden. | |
Timo Niebuhr ist seit 17 Jahren im Rettungsdienst. Obwohl die Arbeit | |
anstrengend ist, macht er sie gern. Es erfüllt ihn, durch seine | |
medizinischen Fähigkeiten Schmerzen zu lindern und Leben zu retten. Doch | |
gibt es einen Haken: Die Arbeitszeit eines Notfallsanitäters beträgt 48 | |
Stunden pro Woche, in Wechselschicht. Für die Familie bleibt wenig Zeit; | |
hinzu kommt, dass von den 48 Stunden nur 39 bezahlt werden. Denn: 18 | |
Stunden werden im Tarifvertrag als Bereitschafts- und nicht als | |
Vollarbeitszeit gewertet, und folglich nur zur Hälfte bezahlt. De facto sei | |
das Einsatzaufkommen jedoch massiv gestiegen, sagt Niebuhr. Die | |
Bereitschaftszeit stelle in der Realität nur noch einen geringen Anteil der | |
Arbeitszeit dar. | |
Auch die Anforderungen hätten sich erhöht: Seit 2014 der Beruf des | |
Notfallsanitäters eingeführt wurde, wurden diesem Aufgaben übertragen, die | |
zuvor Notärzt*innen ausführten. Seit Corona kommt ein gestiegener | |
Hygieneaufwand hinzu. Seit Jahren fordern Niebuhr und Kolleg*innen deshalb | |
eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 45 Stunden, oder, sollte dies nicht | |
möglich sein, eine Erhöhung der Gehälter. | |
Die Hilfsorganisationen, die ebenfalls Träger von Rettungsdiensten sind, | |
hätten das schon lange verstanden, sagt er der taz im Interview: „Beim | |
Deutschen Roten Kreuz zum Beispiel ist die 45-Stunden-Woche längst gang und | |
gäbe.“ Der öffentliche Dienst, der mit seinen 13.000 Beschäftigten nur | |
einen kleinen Teil der insgesamt 70.000 Beschäftigten im Rettungsdienst | |
darstellt, leide deshalb an erheblicher Abwanderung. | |
Niebuhr hatte deshalb mit Hoffnung auf die jüngste Tarifrunde des | |
öffentlichen Dienstes geschaut – zumal die Sensibilität für systemrelevante | |
Berufe durch Corona gestiegen ist. Doch das Einigungspapier enttäuscht ihn: | |
Die Beschäftigten der kommunalen Rettungsdienste seien darin schlichtweg | |
vergessen worden. | |
[1][Nun hat er mit seinen Kolleg*innen eine Petition an die Vereinigung der | |
kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) gerichtet.] Die Forderung nach einer | |
45-Stunden-Woche bleibt dabei das Kernelement; eine Zulagensteigerung | |
analog zur Pflege verlangen sie nur, wenn das nicht realisierbar ist. Fast | |
40.000 Unterschriften haben sie bereits gesammelt. | |
Die VKA äußerte sich bis zum Redaktionsschluss der taz nicht. Der dpa | |
teilte sie mit, es sei üblich, dass Bereitschaftszeit nicht wie normale | |
Arbeitszeit vergütet werde. Zudem würden auch Rettungsdienst-Mitarbeitende | |
vom Tarifabschluss profitieren, etwa in der allgemeinen Entgelterhöhung | |
oder durch Corona-Sonderzahlungen. Niebuhr bezeichnet das höchstens als | |
Inflationsausgleich und fragt sich, warum sich die Kommunen derart quer | |
stellen, wenn am Ende nicht sie die Kosten tragen – sondern die | |
Krankenkassen. Clara von Hirschhausen | |
21 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.change.org/p/tarifrunde-2020-nachverhandlungen-f%C3%BCr-den-ret… | |
## AUTOREN | |
Clara von Hirschhausen | |
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