# taz.de -- Auf Drogen durch den Lockdown | |
> Die Hamburger Drogenhilfe kann seit März nur noch eingeschränkt Hilfe | |
> anbieten, jetzt spitzt sich die Lage weiter zu. Aber manche Angebote | |
> wurden sogar ausgeweitet | |
Bild: Trotz Kontaktverbot: Menschenansammlung am Drob-Inn | |
Von Lukas Gilbert | |
„Während man sich früher in den Arm nehmen konnte, trennt uns im | |
Beratungsgespräch heute eine Trennscheibe von den Frauen“, sagt Gudrun | |
Greb. Greb leitet Ragazza, eine Kontakt- und Anlaufstelle für Frauen in St. | |
Georg, die Drogen konsumieren und / oder der Prostitution nachgehen. Vor | |
Corona hielten sich laut Greb in den gemütlichen, aber kleinen | |
Räumlichkeiten bis zu 30 Nutzer:innen gleichzeitig auf, verteilt auf Café, | |
Konsumraum, Dusche, Terrasse und Beratungszimmer. Momentan dürfen maximal | |
fünf Besucher:innen auf einmal da sein – inklusive Zeitbeschränkung. Für | |
die enge Zusammenarbeit sei das eine Herausforderung. | |
Grebs Erfahrung deckt sich mit den Beobachtungen von Bernd Werse vom Centre | |
for Drug Research (CDR) an der Goethe-Uni in Frankfurt. Derzeit erforscht | |
er in einer Studie mit seiner Kollegin Luise Klaus, welche Auswirkungen die | |
Coronakrise auf die Drogenhilfe hat. Dafür sind sie bundesweit mit | |
Suchthilfeeinrichtungen in Kontakt. | |
Insgesamt, so ihre Beobachtung, haben sich die meisten Einrichtungen der | |
Drogenhilfe einigermaßen gut auf die Krise eingestellt. Aber „der | |
persönliche Kontakt zwischen Beratungsstellen und Konsumenten fehlt“, sagt | |
Werse. | |
Eine weitere Erkenntnis: Vor allem zu Beginn der Pandemie hätten viele | |
Menschen, die in der harten Drogenszene unterwegs sind, Probleme gehabt, | |
„Geld zu machen“: durch Flaschensammeln, den Weiterverkauf von Drogen, | |
kleinere Diebstähle, Betteln oder auch Straßenprostitution. „All das ist | |
viel schwieriger geworden“, sagt Werse. Für Konsument:innen, die auf den | |
regelmäßigen Kauf von Drogen angewiesen sind, ist das eine schwierige | |
Situation. Denn viele Drogenabhängige sind körperlich stark angeschlagen, | |
ein unfreiwilliger kalter Entzug kann für sie schnell gefährlich werden. | |
Das ist ein Problem, das auch für Peter Möller, Einrichtungsleiter der | |
Kontakt- und Beratungsstelle Drop Inn am Hauptbahnhof, bereits früh in der | |
Coronakrise deutlich wurde. „Gemeinsam mit Hamburger substituierenden | |
Ärzten haben wir deshalb die Idee einer niedrigschwelligen Methadonvergabe | |
entwickelt und auch relativ schnell, innerhalb von 14 Tagen, umgesetzt. | |
Auch weil alle Seiten – Ärztekammer und Behörden etwa – sofort mitgespielt | |
haben.“ In dieser Substitutionsambulanz bekommen die Menschen seitdem | |
Methadon – unabhängig ob sie nun krankenversichert sind oder nicht. „Und | |
das ist eine gute Sache“, sagt Möller. | |
Dennoch mussten sie auch im Drop Inn ihre Kapazitäten herunterfahren. | |
„Statt 50 können jetzt nur 17 Menschen ins Café. Im Konsumraum haben wir | |
die Platzzahl von 15 auf 9 reduziert, um den Abstand einhalten zu können“, | |
sagt Möller. Und weil auch die allermeisten anderen Einrichtungen ihre | |
Kapazitäten zurückfahren mussten, beobachtet er insgesamt, dass | |
Drogenabhängige schlechter versorgt werden als vor Corona. | |
Angesichts dessen hofft Gudrun Greb von Ragazza auch mit Blick auf die | |
kommenden Wintermonate auf neue Ideen. So hat die Sozialbehörde früh in der | |
Pandemie eine Unterkunft für von Obdachlosigkeit bedrohte Sexarbeiter:innen | |
eingerichtet und dabei von Beginn an Beratungsstellen wie Ragazza | |
eingebunden. „Vergleichbare Initiativen würde ich mir auch für die | |
Suchthilfe wünschen“, sagt sie. Tatsächlich habe ihr Verein bislang nicht | |
einmal eine ausreichende Finanzierung für das kommende Jahr erhalten. Ob | |
sie ihr Personal weiter finanzieren könne, sei nicht klar, sagt Greb. | |
Von der zuständigen Sozialbehörde heißt es, die fehlende Förderzusage habe | |
schlicht verwaltungstechnische Gründe. Weil bislang kein Haushalt | |
beschlossen sei, gebe es nur vorläufige Zusagen. Mit Blick auf den Winter | |
seien außerdem zumindest zwei Einrichtungen zusätzliche Mittel für Zelte | |
zur Verfügung gestellt worden. Sie sollen Menschen, die auf Einlass warten, | |
einen Witterungsschutz zu bieten. | |
Weitere Information zur heute stattfindenden Jahrestagung | |
„Konsum.Raum.Sucht“ von Sucht.Hamburg gibt es auf der Seite | |
aufsucht-hamburg.de. | |
18 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Lukas Gilbert | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |