# taz.de -- heute in hamburg: „Freunde erleben offenen Antisemitismus“ | |
Interview Lissy Malethan | |
taz: Frau van der Walde, wenn Sie heute der Pogromnacht vor 82 Jahren | |
gedenken, schwingt dann bei Ihnen selbst auch ein Gefühl der Bedrohung mit? | |
Norma van der Walde: Ja. Ich denke, das geht allen Jüd*innen so. Unsere | |
Situation ist in letzter Zeit nicht leichter geworden. Die Übergriffe | |
vermehren sich. | |
Ist die Gesellschaft sich dessen bewusst? | |
Ich denke schon. Aber viele beziehen es nicht auf sich, weil sie nicht | |
betroffen sind. Es gibt diesen sogenannten Alltagsrassismus. Es werden | |
wieder Witze erzählt, ohne dass man sich geniert. Im Internet werden | |
unverhohlen menschenverachtende Meinungen geäußert. Ich habe viele Freunde, | |
die diesen offenen Antisemitismus erleben und sehr darunter leiden. Es gibt | |
aber auch Lehrer*innen, die sich unglaublich dafür einsetzen, dass gegen | |
Rassismus und Antisemitismus gekämpft wird. | |
Welche Möglichkeiten gibt es, dagegen zu kämpfen? | |
Erinnern und Mahnen ist das Allerwichtigste. Aufmerksam zu sein, ist auch | |
sehr wichtig: Dass man als Zivilist eingreift, wenn man Antisemitismus oder | |
Rassismus bemerkt. Und vor allem sollte man darüber sprechen. | |
Wird das denn genug gemacht? | |
Ich habe das Gefühl, dass es in manchen Familien, vor allem in meiner | |
Altersgruppe, Gründe gibt, es nicht zu thematisieren, weil irgendwo in der | |
Vergangenheit noch ein Geheimnis steckt. Aber wenn ich in Schulen gehe und | |
sehe, wie sich Jugendliche schon große Gedanken über Rassismus und | |
Antisemitismus machen, gewinne ich wieder an Vertrauen. Man sollte aber | |
auch lernen, Menschen in einer Diskussion gegenüberzutreten, die rechte | |
Ansichten haben. Wir sind oft noch ungeübt, hilflos und sprachlos, wenn | |
rechte Einwürfe kommen. Vor allem, weil wir sie logisch nicht widerlegen | |
können, weil sie jeder Logik entbehren. Es gibt die sogenannten | |
Stammtischkämpfe, wo man genau das üben kann. | |
Und warum ist es wichtig, zu gedenken? | |
Man kann aus der Vergangenheit nur lernen. Es gibt viele Sprüche, die | |
besagen: „Wenn du deine Vergangenheit vergisst, musst du sie noch einmal | |
durchleben.“ Dieser Spruch steht auch in Auschwitz. Sie können das an den | |
Erscheinungen der Rechtsradikalen sehen. Sie haben aus der Vergangenheit | |
nicht gelernt, sondern sie negieren sie. Das möchten wir verhindern, damit | |
so etwas, auch in Ansätzen, nicht wieder passiert. | |
Mahnwache der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der | |
Antifaschistinnen und Antifaschisten sowie der Universität Hamburg: 15.30 | |
Uhr, Joseph-Carlebach-Platz | |
9 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Lissy Malethan | |
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