# taz.de -- heute in hamburg: „Aktuell ist Gedenken enorm wichtig“ | |
Interview Paula Bäurich | |
taz: Frau Mattern, warum steht die Gedenkwoche unter dem Titel „Mitten | |
unter uns“? | |
Nicole Mattern: Einerseits bezieht sich der Titel auf die Zeit des | |
Nationalsozialismus, also auf das, was damals „mitten unter uns“ geschehen | |
ist. Andererseits soll er darauf hinweisen, dass heute die Gedenkstätten in | |
Hamburg „mitten unter uns“ sind. Oft werden Gedenkstätten mit großen | |
Plätzen verbunden, dabei gibt es auch so viele kleine, bedeutende | |
Gedenkorte, die überall verstreut sind. | |
Warum ist die Veranstaltung jetzt wichtig? | |
Viele Themen finden aufgrund der Coronapandemie kaum noch Beachtung. Dabei | |
sind Themen wie aufkeimender Antisemitismus und Diskriminierung enorm | |
wichtig aktuell. Zudem konnten die Gedenkveranstaltungen im Frühjahr nur | |
digital und ohne die wichtigen Zeitzeug*innen stattfinden. | |
Das Gedenken in Zukunft ohne Zeitzeug*innen wird deutlich schwieriger. | |
Deswegen haben wir vor allem Interviews geführt und Zeitzeug*innen und | |
Angehörige zu Wort kommen lassen. Es ging uns darum, dass die Woche des | |
Gedenkens nicht „nur“ Gedenkveranstaltungen versammelt, sondern dass es | |
auch eine Auseinandersetzung insbesondere mit der jungen Generation gibt. | |
Dafür wurde ein Schulprojekt entwickelt, in dem wir Gesprächspartner*innen, | |
die ihre Familiengeschichte aus der NS-Zeit erzählen, an Schüler*innen | |
vermittelt haben. | |
Wie haben die Schüler*innen darauf reagiert? | |
Sie waren sehr interessiert, egal ob es Erzählungen von Zeitzeug*innen | |
selbst oder ihren Angehörigen waren, da sie gemerkt haben, wie sehr die | |
NS-Zeit Familien auch noch heute beschäftigt. Im Nachhinein konnten wir | |
viel darüber diskutieren, ob der heutige Antisemitismus tatsächlich ein | |
neuer ist oder der alte, den wir nicht verarbeitet haben. | |
Warum müssen sich junge Leute mit der NS-Zeit auseinandersetzen? | |
Genau diese Frage haben wir den Schüler*innen am Ende gestellt. Sie | |
meinten, man müsse die Vergangenheit kennen, um die Gegenwart zu verstehen. | |
Das sehe ich genauso: Um aktuelle politische Entscheidungen in Deutschland | |
nachvollziehen zu können, muss man unsere Vergangenheit kennen. Und die | |
Auseinandersetzung ist nicht unbedingt negativ. Zwar ist die Vergangenheit | |
vor allem in Deutschland sehr schwer, aber das, was am Ende herauskommt, | |
ist ja, dass wir einander die Hand reichen. | |
2 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Paula Bäurich | |
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