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# taz.de -- wie machen sie das?: Der Mumienarzt
Jens Klocke, 46, arbeitet seit 2001 als freiberuflicher Restaurator,
Wissenschaftler und Dozent in Hildesheim.
taz am wochenende: Herr Klocke, Sie konservieren und restaurieren die
Körper Verstorbener. Wie machen Sie das?
Jens Klocke: Wenn ich hinzugerufen werde, müssen diese Körper auf ihrer
schon lange andauernden Reise durch die Zeit meist etwas stabilisiert
werden. Eine altägyptische Mumie beispielsweise, die an mehreren Stellen
ruckelt und auseinanderfällt, kann ich durch das Anpassen einer
hauchdünnen, fast nicht sichtbaren Glasfaserschale auf ihrer Unterseite
stabilisieren. So kann sie dann durch Raum und Zeit weiterreisen. Es kommt
auch vor, dass ich einen ganzen Ellenbogen oder Fuß neu basteln muss, der
nur in gewürfelten Knochen vor mir liegt.
Was für Material brauchen Sie dafür?
Fast alles. Immer wenn ich ein neues Handwerk kennenlerne, finde ich
interessante Werkzeuge. Auf dem Flohmarkt habe ich zum Beispiel mal ein
Arztwerkzeug gefunden, mit dem man tief aus dem Inneren von etwas
Unzugänglichem eine kleine Probe entnehmen kann. Das ist hinten wie eine
Schere und hat vorne ein kleines Maul aus Metall, das kann zubeißen.
Sie restaurieren nicht nur Mumien. Unterscheidet sich das von der Arbeit an
alten Kunstwerken?
Für Museumsbesucher*innen oder meine Frau schon. Ich persönlich habe
gelernt, mit diesem Tabu um den Tod umzugehen – man schläft am Anfang ein
oder zwei Nächte schlecht, dann geht’s aber wieder. Manchmal wünsche ich
den Verstorbenen einen guten Morgen, wenn ich in die Werkstatt komme.
Haben Sie keine Angst vor dem Fluch der Mumie?
Auf der medizinischen Ebene kann ich mich gegen die Gefahr des
anaphylaktischen Schocks oder der Pilzvergiftung mit einer
Schutzausrüstung wappnen. Das andere ist die Gefahr, Stress mit den
Geistern der Ahnen zu bekommen. Es gibt aber ein Märchen aus dem Alten
Ägypten, da brachte ein Mensch ein Grab, das in Chaos geraten war, wieder
in Ordnung. Diesem Menschen schlich der Dank des Verstorbenen ewig nach.
Solange ich die Verstorbenen beim Namen nenne und ihnen ihren Fuß wieder
anklebe, bin ich auf der sicheren Seite.
Was ist Ihr nächster Auftrag?
Das sind zwei Bischöfe in Litauen, deren Erhaltung in der Kirchengruft
verbessert werden soll. Die sollen nun in Teilen einen Ersatzkörper
bekommen.
Einen echten Körper?
Nein, einen aus Schaufensterpuppen, in den die Knochen eingefügt werden.
Denn die katholische Kirche möchte die heiligen Leiber in historischem
Priesterornat präsentieren, dafür müssen sie dann auch noch eingekleidet
werden. Interview: Clara von Hirschhausen
31 Oct 2020
## AUTOREN
Clara von Hirschhausen
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