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# taz.de -- heute in hamburg: „Das Rechtssystem ist unlesbar“
Interview Paula Bäurich
taz: Herr Eule, Sie sprechen von einem rechtlichen Labyrinth, in das
Geflüchtete hineingeraten, wenn sie nach Europa kommen. Was meinen Sie
damit?
Tobias Eule: Wir haben in acht europäischen Ländern untersucht, wie
Menschen mit einem prekären Rechtsstatus versuchen, zu einem legalen
Aufenthaltsstatus zu kommen. Dabei sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass
es in allen untersuchten Ländern enorm schwierig und undurchschaubar ist,
eine Legalisierung zu erreichen.
Was macht das mit den Betroffenen?
Einerseits besteht eine große Unsicherheit, da die Verfahren sehr lange
dauern, oft mehrere Jahre. Das Warten und damit der Kontrollverlust über
die eigene Zeit hat einen sehr negativen Effekt auf den Zustand der
betroffenen Menschen. Andererseits führt die Tatsache, dass sie nicht
wissen, was auf sie zukommt, also die Unlesbarkeit des Rechtssystems, dazu,
dass die Geflüchteten das Gefühl haben, die Macht des Staates werde immer
mehr verstärkt.
Kennen die Geflüchteten ihre Rechte?
Für die meisten ist schon die Informationsbeschaffung zu ihren eigenen
Rechten eine Herausforderung. Aber selbst wenn Geflüchtete ihre Rechte
kennen, ist es enorm schwierig für sie, einen Weg durch das Asylsystem zu
finden, da es so komplex und undurchsichtig ist.
Ist das Asylrecht bewusst auf Abschreckung hin ausgelegt?
Nein, das glaube ich nicht. Es ist wichtig, festzuhalten, dass viele
Geflüchtete irgendwann einen legalen Aufenthaltsstatus bekommen. Die
rechtliche Lage in Europa schreckt also nicht nur ab, sondern erzeugt auch
Hoffnung und bringt so Menschen dazu, weiter zu versuchen, ihren Status zu
legalisieren. Das komplexe System kann genauso erdrückend wirken, wie es
plötzlich Chancen ermöglicht. Nur ist dieser Prozess mit unerträglichen
Umständen für die Betroffenen verbunden.
Welche Auswege aus dieser Situation sehen Sie?
Das einfachste ist, dass Menschen, die noch keinen legalen
Aufenthaltsstatus haben, aber auch nicht abgeschoben werden können, die
Möglichkeit bekommen müssen, eine Bleibeperspektive für sich aufzubauen.
Das diskutieren wir in Deutschland mittlerweile seit 20 Jahren und wissen
aus der Empirie sehr gut, was solche Umstände, denen Geflüchtete in dem
Wartestatus ausgesetzt sind, mit Menschen anrichten.
29 Oct 2020
## AUTOREN
Paula Bäurich
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