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# taz.de -- nord🐾thema: „Ich will nicht ins Parteiprogramm gucken“
> Emma Dührkopf hat in Lübeck vor zwei Jahren das junge Politikforum
> mitgegründet, sie nennt es einen „geschützten Ort“, an dem Kinder und
> Jugendliche ihre Belange ansprechen können – ohne Angst, von
> Profi-Politiker*innen ausgelacht oder unter den Tisch geredet zu werden
Bild: Je kleiner der Mensch, desto weniger wird er gehört? Demonstration im Ap…
Interview Leonie Theiding
taz: Frau Dührkopf, was hat die Jugend, was Ältere nicht haben?
Emma Dührkopf: Wenn wir gegen Wände laufen, dann versuchen wir, sie
einzubrechen. Klar, da klingt auch viel jugendliche Naivität mit, aber
vielleicht preschen wir gerade deswegen voran. Vielleicht sind wir auch
einfach noch nicht so eingeschränkt, haben weniger Hemmungen als etablierte
Politiker:innen. Vor allem, weil die meisten von uns nicht an irgendwelche
Parteiprogramme gebunden sind. Die Rahmenbedingungen sind eben andere, auch
weil wir als Jugend mit den Folgen der jetzigen Politik noch lange leben
müssen.
Also sind Sie kein Mitglied einer Partei?
Ich bin bewusst nirgends eingetreten. Ich bin ein freiheitsliebender Mensch
und möchte sagen können, denken können, was ich eben möchte, ohne vorher in
ein Parteiprogramm reingeschaut zu haben.
Und wie können Sie sich in Lübeck politisch engagieren?
Ich bin im jungen Politikforum in Lübeck aktiv. Das Ganze hat angefangen,
als Thore Schönfeld und ich bei „Jugend im Landtag“ in Kiel mitgemacht
haben. In Gesprächen haben wir da mitbekommen, dass viele in ihren
Heimatorten Kinder- und Jugendbeiräte haben. Sogar in kleinen Gemeinden gab
es so was – aber bei uns in Lübeck nicht. Wir haben dann einen Brief an den
Bürgermeister geschrieben, der uns zum Gespräch eingeladen hat. Der meinte
dann so: „Macht mal.“ In dem Jahr, also 2018, hat die Stadt Lübeck eine
Fachstelle geschaffen für Kinder- und Jugendbeteiligung. Und gemeinsam mit
dieser Fachstelle haben wir das junge Politikforum gegründet. Seit zwei
Jahren sind wir als junges Politikforum also dabei, etwas aufzubauen, wo
Kinder und Jugendliche sich über Politik austauschen können.
Wozu braucht es das junge Politikforum, wenn die Kinder und Jugendlichen
auch einfach zur Fachstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung gehen
könnten?
Bei uns können Kinder und Jugendliche ihre Belange an einem geschützten Ort
ansprechen, wir sind Kinder und Jugendliche unter uns. Dann haben wir die
Verbindungen zur Verwaltung, zur Bürgerschaft und so weiter, um dann diese
Belange der Kinder und Jugendlichen weiterzuleiten. Und wir haben einfach
gemerkt, dass wir als geballte Jugendgruppe mehr bewirken können als
alleine.
Was wollen Sie als Nächstes?
Wir wollen eine Kinder- und Jugendvertretung. Das Ganze ist ins Rollen
gekommen, weil die FDP einen Antrag für Jugendbeteiligung gestellt hat. Als
wir davon hörten, haben wir gemerkt, dass wir Ähnliches als junges
Politikforum ja längst praktizieren. Der Antrag war noch nicht
ausformuliert, weswegen wir Gespräche bezüglich unser Vorstellungen zur
Jugendbeteiligung mit FDP, Grünen, CDU und SPD geführt haben.
Sie haben ja schon die Verbindung zur Bürgerschaft und Kontakte in der
Politik. Warum wollen Sie dann noch eine Kinder- und Jugendvertretung?
Problematisch ist, dass die Bürgerschaft nur eine begrenzte Anzahl an
Sitzungen hat, in denen Bürger:innen ihre Anliegen vortragen können. Und
dann auch nur Bürger:innen ab 14 Jahren. Zu den restlichen Sitzungen müssen
wir als Bürger:innen eingeladen werden. Und natürlich haben wir kein
Stimmrecht. Dann gibt es eine gewisse Hemmschwelle, als Nicht-Politiker:in
direkt zur Bürgerschaft zu gehen – das hat auch gar nichts mit dem Alter zu
tun. Mit der Bürgerschaft zu diskutieren, die sich mit den Themen auskennt,
ist keinem angenehm. Die meisten Kinder und Jugendlichen finden eher den
Weg zum Jugendhilfeausschuss, was wir jetzt eben auch getan haben.
Und was passiert jetzt?
Also, der FDP-Antrag ist ja in den Jugendhilfeausschuss eingegangen, da
haben wir dann als Gäste zugehört. Und vor dem Jugendhilfeausschuss haben
wir dann diese Demo veranstaltet und die Politiker:innen in diesem
Ausschuss auf unsere Anliegen aufmerksam gemacht. Was der Ausschuss auch
immer wieder erwähnt. Einstimmig wurde dann entschlossen, dass Lübeck eine
Kinder- und Jugendvertretung bekommt. Es wurden jetzt noch verschiedene
Änderungsanträge eingereicht, da wir jetzt einen Fachtag veranstalten
werden. Da setzen sich alle möglichen Institutionen zusammen – das
Stadt-Schüler-Parlament, Jugendhilfeausschuss, wir – und überlegen sich
konkrete Forderungen an die zu gründende Jugendvertretung.
Was wünschen Sie sich als junges Politikforum?
Dass eine Art Einwohner:innen-Versammlung zustande kommt, wo Kinder und
Jugendliche hinkommen können und sich über politische Themen austauschen
können. Diese stellt dann Menschen zur Wahl auf, die von Kinder und
Jugendlichen mit Lebensmittelpunkt in Lübeck als Vertreter:innen gewählt
werden – eine Art legitimiertes Gremium also. Diese Legitimation ist ja
immer eine Geldfrage; wir hätten gerne eine Urwahl und das kostet
ordentlich. So oder so, immer nach dem Motto: dass wir Jugendlichen
Jugendliche stellen, die Jugendliche und Kinder wählen können.
Und was genau macht das Gremium?
Das ist dafür da, mit der Verwaltung in Verbindung zu treten und dafür zu
sorgen, dass der Paragraf 47f der Gemeindeverordnung – dass die Interessen
von Kinder und Jugendlichen vertreten werden müssen – durchgesetzt wird.
24 Oct 2020
## AUTOREN
Leonie Theiding
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