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# taz.de -- Zum 65. eine Würdigung für Johannes Eisenberg: Man nannte ihn Sch…
Bild: Zeichnung: Seyfried
Als der Reichstag westlich der Berliner Mauer Mitte der siebziger Jahre
noch der Wiedervereinigung harrte, war die Wiese davor ein beliebtes
Fußballfeld. Sonntags mittags kickten hier die Recken der undogmatischen
linken Szene, darunter auch ein Blondschopf mit einer Matte bis fast zur
Hüfte, den alle nur „Schrotti“ riefen. Wie viele Spitznamen war das eine
Abkürzung, in diesem Fall die freundliche Abbreviation für „Schrotthaufen�…
was wiederum die despektierliche Variante seines Namens Eisenberg war.
Heute ruft ihn niemand mehr Schrotti, sondern nur noch Jony, und Fußball
vor dem Reichstag wird auch nicht mehr gekickt. Sein kämpferisches und
verbales Engagement hat Jony Eisenberg unterdessen schon lange in eine
Arena verlegt, in der nur wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt ebenfalls
mit harten Bandagen gekämpft wird. Die Rede ist von Deutschlands größtem
Strafgericht in Moabit, wo die Stimme von Rechtsanwalt Eisenberg mindestens
so laut und gefürchtet ist wie seinerzeit „auf’m Platz“.
Nach dem Studium machte er sein Referendariat in der Kanzlei von Christian
Ströbele und kam so quasi automatisch auch zur taz, die von Ströbele
juristisch als „Papa für alles“ betreut wurde. Seit dieser dann in die
Parlamente und den Bundestag gewählt wurde, war Jony, der mit seinem
Kollegen Stefan König eine eigene Kanzlei gegründet hatte, der taz-Anwalt
für alle Fälle. Das waren nicht wenige, wie [1][in unserem Buch „40 Jahre
taz“] ausführlich nachzulesen ist. Diese seine Fälle waren nicht nur
spektakulär, sondern auch medienrechtlich relevant. So musste sich der
Chefredakteur der Bild, der wegen einer „Wahrheit“-Satire in der taz über
seine Penisverlängerung geklagt hatte, vom Gericht ins Stammbuch schreiben
lassen, dass für den Chef einer Zeitung, die mit permanenten
Persönlichkeitsrechtsverletzungen ihr Geld verdient, andere Maßstäbe gelten
als für Otto und Ottilie Normal. Als die taz dann ihre Hauswand an der
Rudi-Dutschke-Straße von dem Künstler Peter Lenk mit einem Pimmel verzieren
ließ, von dem es hieß, das sei doch wohl der von Kai Diekmann und der
Bild-Chef in einem Video auf seinem Blog behauptet hatte, es handele es
sich dagegen entweder um den Penis von Jony Eisenberg oder von Christian
Bommarius (Berliner Zeitung), musste „Sudel-Kai“ Schmerzensgeld zahlen.
Ein noch wichtigerer Punch gegen das „Organ der Niedertracht“ (Max Goldt)
gelang Eisenberg mit einem Urteil, das die Zeitung verdonnerte, die
Gegendarstellung in der ebenso fetten Balkenschrift auf der Titelseite zu
drucken wie zuvor ihre Falschmeldung. Der Unsitte, vorne fett zu lügen und
dann irgendwann hinten im Kleingedruckten richtigzustellen, wurde damit ein
Riegel vorgeschoben. Der Donnerhall, der dem Strafverteidiger und
Medienrechtler Eisenberg vorausgeht, ist insofern nicht unbegründet, denn
das muss man gegen den mächtigen Springer-Konzern und sein Flaggschiff erst
mal hinkriegen. Auch dass die taz „auf hoher See“ vor Gericht nie wirklich
Schiffbruch erlitten hat, verdankt sich ohne Frage Jony Eisenbergs Geschick
– und hätte er nicht 1991 mit Christian Ströbele und Kalle Ruch das Konzept
für die [2][taz-Genossenschaft] ausgeknobelt, wäre die Zeitung ohnehin
längst untergegangen.
Da von Ruhestand keine Rede ist und nur Motorrad fahren oder Traktor im
Brandenburgischen in der Tat zu wenig ist für gelernte Stürmer und
Angriffsspezialisten, wird sie auch weiter auf ihn zurückgreifen können. Im
Ernstfall. Zum Glück. Nächste Woche hat er 65. Geburtstag. Mathias Bröckers
Mathias Bröckers, Autor vieler erfolgreicher Bücher, Alt-tazler im
Unruhestand und zuletzt „Blogwart“ für die taz-Blogs auf taz.de.
24 Oct 2020
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## AUTOREN
Mathias Bröckers
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