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# taz.de -- Milde Strafe für EWE
> Laut einem Bericht sollen zwei Führungskräfte dafür verantwortlich sein,
> dass die EWE AG Steuern und Sozialabgaben nicht korrekt abgeführt hat.
> Bestraft wird nur das Unternehmen
Bild: EWE dürfte Grund zum Jubel haben, so wie diese Figuren bei einer PR-Akti…
Von Christina Gerlach
Der Oldenburger Energieversorger EWE AG hat quasi die Hosen runtergelassen.
Im Juristendeutsch heißt das: „Vollumfänglich kooperativ“. Ein Schritt, d…
Anwälte immer dann empfehlen, wenn die Fakten nicht zu leugnen sind, beim
Strafmaß aber noch was zu machen ist. Hat offensichtlich geklappt.
Die EWE AG kassierte ein vergleichsweise mildes Bußgeld in Höhe von 300.000
Euro für ein schwerwiegendes Vergehen: Steuern und Sozialabgaben sind
jahrelang nicht ordnungsgemäß abgeführt worden, wie die Staatsanwaltschaft
Oldenburg auf Nachfrage bestätigt. So was wird eher in zwielichtigen Firmen
verortet als bei einem Energieversorger mit immerhin 5,7 Milliarden Euro
Umsatz in 2019. Die EWE AG habe mittlerweile alle vorenthaltenen Abgaben
und Steuern nachgezahlt. Auch das sei bei der Höhe der Buße berücksichtigt
worden, teilten die Strafverfolger weiter mit, die drei Jahre in dem Fall
ermittelt hatten.
Im Paragrafen 266a des Strafgesetzbuchs heißt es: „Als Arbeitgeber wird
bestraft, wer die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle
pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in
Unkenntnis lässt.“ Darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft oder eine
Geldstrafe.
Die Oldenburger Staatsanwaltschaft hat allerdings anders entschieden und
die Verfahren eingestellt. Sie konnte „eine individuelle Verantwortlichkeit
eines bestimmten Beschuldigten nicht mit der für eine Anklageerhebung
notwendigen Sicherheit“ feststellen. Stattdessen wurde eine
Unternehmensbuße verhängt. Die wird die EWE AG wahrscheinlich aus der
Portokasse begleichen und die Beschuldigten sind um eine Vorstrafe
herumgekommen.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hatte 2017 festgestellt, dass
Schichtzulagen von Mitarbeitern der EWE-Netz GmbH, einer Tochter des
Versorgers, seit 2006 weder ordnungsgemäß versteuert noch Sozialabgaben
darauf abgeführt wurden. Der Schaden: 1,9 Millionen Euro.
Den Verantwortlichen der EWE AG war das offensichtlich seit Jahren klar.
Das geht auch aus internen Sitzungsprotokollen hervor, die die taz einsehen
konnte. Über die Steuerthematik wurde mehrfach diskutiert.
Die ist kompliziert: Etwa 50 sogenannte Dispatcher arbeiten rund um die Uhr
im Schichtdienst in ständig besetzten Netzleitstellen, auch sonn- und
feiertags, nachts. Dafür gab es zum Teil satte Zuschläge. Die sind zwar
unter bestimmten Umständen steuerfrei, aber das Finanzamt verlangt
sogenannte „Spitzabrechnungen“, in denen exakt dokumentiert werden muss,
wann Mitarbeiter tatsächlich im Dienst waren. Außerdem gilt die
Steuerfreiheit für prozentuale Zeitzuschläge nur, wenn der zugrunde
liegende Stundenlohn 25 Euro nicht übersteigt. Die EWE-Dispatcher
verdienten aber deutlich mehr und erhielten zudem zusätzlich zum
Grundgehalt einen hohen Pauschalbetrag. Ohne die erforderlichen Nachweise
an das Finanzamt, aber mit Billigung der Verantwortlichen.
Warum die Staatsanwaltschaft nun keine „individuelle Verantwortlichkeit“
eines bestimmten Beschuldigten „mit der für eine Anklageerhebung
notwendigen Sicherheit“ feststellen konnte, ist zumindest merkwürdig. Ein
interner Bericht zu „möglichen Sorgfaltspflichtverletzungen“, der
seinerzeit vom EWE-Aufsichtsrat selbst beauftragt wurde, liegt der taz vor.
Der Bericht benennt nämlich durchaus die Verantwortlichen für die
Tricksereien: Zwei Führungskräfte, die damals gerade zum Karrieresprung in
den Vorstand der EWE AG angesetzt hatten. Ihre Ernennung war für den
Februar 2017 geplant, wurde dann überraschend verschoben, schließlich ganz
gekippt.
Denn die KPMG-Prüfer hatten in der Steuer- und Sozialabgabenaffäre die
Verantwortlichkeiten akribisch herausgearbeitet und kamen in ihrem
64-Seiten-Bericht zu einem eindeutigen Ergebnis: Beide Beschuldigte seien
„zu Zeitpunkten Organmitglieder der EWE NETZ“ gewesen, „zu denen diese ih…
steuerlichen und sozialabgaberechtlichen Pflichten nachweislich nicht
erfüllt hat“. Eine Beförderung der beiden Führungskräfte in den Vorstand
war damit offensichtlich selbst der EWE zu heiß.
6 Oct 2020
## AUTOREN
Christina Gerlach
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