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# taz.de -- Frauen an die Häuserfront
> Sie machte die Arbeit von Frauen sichtbar: Im Juli ist die
> Museumskuratorin Elisabeth von Dücker verstorben. Ihr Herzensprojekt, die
> Hamburger „FrauenFreiluftGalerie“, soll aber weitergeführt werden. Ein
> Spaziergang mit der Künstlerin Hildegund Schuster
Bild: Anlass für Gespräche über den Wandel weiblicher Arbeitskraft: Wandbild…
Von Hanna Klimpe
Beim Spaziergang vom Fischmarkt elbabwärts Richtung Övelgönne ist ihnen
schon jede*r Hamburger*in begegnet: Den Fischverarbeiterinnen, den
Kaffeeverleserinnen, den Zwangsarbeiterinnen, den Prostituierten, den
Putzfrauen oder den Demonstrantinnen, die an den Treppen zur Palmaille oder
an der Rückwand des Restaurants „Marseille“ als Wandgemälde auf
Aluminiumplatten oder direkt auf die Fassaden gemalt sind. Die
„FrauenFreiluftGalerie“ war ein Herzensprojekt der Museumskuratorin,
Kunsthistorikerin und Frauenrechtlerin Elisabeth von Dücker, die im Juli
unerwartet verstorben ist.
1994 hat sie das Projekt initiiert – zusammen mit der ebenfalls kürzlich
verstorbenen Sozialwissenschaftlerin [1][Emilija Mitrovi]ćund der Malerin
Hildegund Schuster, die selbst einige der Wandbilder erstellte und nun die
Galerie weiterführen wird. „Wir wollten die Frauenarbeit hier im Hafen
sichtbar machen“, sagt die Künstlerin, „weil der Hafen in allen Köpfen no…
als Männerdomäne wahrgenommen wird.“
Die Arbeit von Frauen war ein Kernthema von Dücker, die 2005, drei Jahre
nach Inkrafttreten des neuen Prostitutionsgesetzes, mit [2][„Sexarbeit –
Prostitution – Lebenswelten und Mythen“] im Hamburger Museum der Arbeit
eine ihrer erfolgreichsten Ausstellungen konzipiert hatte. „Ich bin ihr
1988 in einer Frauenarbeitsgruppe begegnet“, erinnert sich Schuster. Dabei
wurde anlässlich von „100 Jahre Frauenarbeit im Hafen“ ein Wandbild zum
Thema konzipiert. „Sie war eine unglaublich toughe Frau, die sehr klar und
schnell war, meistens viel schneller als alle anderen – sowohl im Denken,
als auch im Reden und im Handeln.“
Inspiriert waren die Wandbilder von der mexikanischen Wandbildbewegung, dem
„Muralismo“: „Wir hatten viel über Wandbilder in der Kunstgeschichte
recherchiert und Motive gesucht, in denen Frauen in Arbeitssituationen
gezeigt werden“, so Schuster. „Da gibt es so einiges, aber meistens werden
Frauen nur in ‚typischen‘ Berufen wie zum Beispiel Wäscherin dargestellt.
Bei den mexikanischen Künstler*innen gab es da mehr gedankliche Brüche.“
Zusammen mit Wiebke Hohrenk und Gisela Milse malte Schuster in
dreimonatiger Arbeit ein 1.000 Quadratmeter großes Wandbild über die
verschiedenen Arbeitsfelder von Frauen im Hafen auf die Rückseite von
„Lübkes Speicher“, das 1992 noch mal um 300 Quadratmeter erweitert wurde.
Schon zwei Jahre später allerdings wurde bei der Umwandlung des Speichers
in ein Bürogebäude [3][das Wandgemälde zerstört]. Dücker, Mitrovićund
Schuster beschlossen, das Projekt weiterzuführen. In den letzten Jahren
kümmerten sich dann Dücker und Schuster zu zweit um die
FrauenFreiluftGalerie.
„Die größte Herausforderung ist immer, Flächen zu bekommen“, sagt Schust…
Die Akquise und Finanzierung ist jedes Mal ein neuer Akt, Unterstützung
haben die Initiatorinnen sowohl durch private als auch öffentliche Träger
erhalten. „Manchmal haben wir die Bilder mit langem Atem vorbereitet und
manchmal sind wir spontan losgegangen und haben irgendwo geklingelt und
haben die Leute ein bisschen überrumpelt. Dadurch sind manchmal ganz neue
Kontakte zustande gekommen, manchmal auch neue Wandflächen, die möglich
wurden. Elisabeth war da unglaublich zäh.“
Nicht selten wurden Finanzierungskonzepte am Ende noch einmal radikal
gekürzt. „Dann wurden wir gefragt, ob wir trotzdem weiterarbeiten wollen.
Natürlich wollten wir. Uns war ziemlich klar, dass wir Weltmeisterinnen in
Selbstausbeutung waren.“
Wenn die Fläche gesichert war, begann die eigentliche Arbeit. Hinter jedem
Wandbild steckt eine intensive Recherche: Dücker führte lange Interviews
mit den Arbeiterinnen, die auf dem jeweiligen Motiv abgebildet wurden,
Schuster begleitete sie meistens und entwickelte daraus die konkreten
Bilder, die oft zusätzlich mit Schlagwörtern wie „Zukunft“, „Gestank“,
„Solidarität“ oder „Sexismus“ aus den Interviews versehen sind.
Gefährdet sind die Bilder heute vor allem durch Witterungsschäden oder
Graffiti, es fallen also regelmäßig Restaurationskosten an. Eines der
Bilder, die „Metallerinnen“, kam den Kuratorinnen aber auf andere Weise
abhanden: Es wurde gestohlen. „Die Metallerinnen waren auf Aluminiumplatten
von sehr guter Qualität gemalt worden. Dann mussten wir sie abmontieren,
weil das Gebäude, an dem sie befestigt waren, abgerissen wurde“, erinnert
sich Schuster. „Wir haben dann einen Lagerraum gefunden, in dem wir das
Gemälde abstellen durften, bis wir eine neue Fläche gefunden haben.
Eineinhalb Jahre später war es weg und uns war klar: Das ist im Altmetall
gelandet.“
Die konkrete historische Verankerung von Kunst, der niedrigschwelle Zugang
zu ihr und ihr politisches Potenzial waren in der Arbeit Elisabeth von
Dückers immer sichtbar. „Sie wollte das Museum wirklich öffnen, wollte
andere Leute reinholen, mit Menschen gemeinsam etwas bewegen. Es gehörte zu
ihrer Grundhaltung, dass sie alle partizipieren lassen wollte“, so
Schuster.
Begonnen hatte Dücker ihre Karriere nach einem Studium der Kunstgeschichte,
Volkskunde und klassischen Archäologie in Westberlin und Frankfurt sowie
einer Ausbildung als Buchhändlerin als Volontärin und später
wissenschaftliche Mitarbeiterin im Altonaer Museum. Nach Hamburg gekommen
war sie 1970 der Liebe wegen, hatte im Stadtteil Ottensen ihre Wahlheimat
gefunden. Später engagierte sie sich auch im 1980 [4][dort gegründeten
Stadtteilarchiv] und konzipierte im 1997 eröffneten Museum der Arbeit die
Dauerausstellung „Frauen und Männer – Arbeitswelten und Bilderwelten“.
Unermüdlich setzte sie sich für die Repräsentation von Frauen in
Museumsräumen ein. Wenn es ihr im Museum für Arbeit auch nicht gelang,
einer Thematisierung von Frauenthemen auf der Hälfte der Fläche
durchzusetzen, schaffte sie es doch immerhin, dafür eine eigene Abteilung
zu bekommen.
„Elisabeth hatte immer Pläne, Pläne, Pläne“, erzählt Hildegund Schuster:
Von Dücker vernetzte Frauen innerhalb Ottensens, Hamburgs und
international, lud zum Beispiel lateinamerikanische Künstlerinnen ein, an
der FrauenFreiluftGalerie mitzuarbeiten. Ein letztes Motiv steht noch aus,
das Schuster und Dücker zusammen realisieren wollten. Welches Arbeitsfeld
dabei abgebildet werden soll – und wo das Bild aufgehängt –, das will sie
noch nicht verraten.
13 Oct 2020
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## AUTOREN
Hanna Klimpe
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