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# taz.de -- nord🐾thema: Die Landschaft vermüllt
> In der Coronazeit zieht es die Menschen ins Grün vor der Haustür.
> Darunter leiden Tiere und Pflanzen
Interview Lena Toschke
taz: Herr Wohlers, leidet auch die Natur unter der Coronapandemie?
Rüdiger Wohlers: Wir sind natürlich froh, dass die Leute rausgehen und sich
mit der Natur beschäftigen. Aber natürlich stellen wir auch fest, dass seit
der Coronapandemie ein viel höherer Freizeitdruck da ist. Das war im
Frühjahr für die Wiesenbrüter ein großes Thema, weil sie häufig
aufgescheucht wurden, weil die Leute einfach über Wiesen liefen. Genauso
wie viel mehr Leute mit unangeleinten Hunden dort unterwegs waren. Leute
sind auch in sensible Gebiete hineingegangen. Ein weiteres Problem, mit dem
wir in diesem Jahr stark zu kämpfen haben, ist die zunehmende Vermüllung
der Landschaft.
Welche Auswirkungen hat das auf die Tier- und Pflanzenwelt?
In erster Linie wird die Ruhe der Tiere gestört. Wenn Vögel immer wieder
aufgescheucht werden und Eier erkalten, hat das auf lange Sicht natürlich
auch Auswirkungen auf den Tierbestand. Außerdem können beim Verlassen der
Wege Pflanzen zerstört werden. Auch das Wildgrillen ist eine große Gefahr.
Da kann schon ein kleines Glimmen dazu führen, dass der Wald abbrennt.
Viele Einweggrills stellen außerdem Fallen für Wildtiere dar, genauso wie
durch zerschlagene Flaschen und herumliegende Dosen eine große
Verletzungsgefahr besteht.
Wie gehen Sie mit Störenfrieden tun?
Das Entscheidende ist, dass man Empathie für die Natur weckt. Aber manchmal
ist es natürlich auch erforderlich, Menschen anzuzeigen oder
Ordnungswidrigkeitsverfahren bei den Behörden in die Wege zu leiten.
Aber eigentlich ist es doch toll, wenn die Menschen den Wert der Natur
hierzulande wieder entdecken.
Ja! Das ist auch genau das, was wir möchten: Dass Menschen sich mit ihrem
Umfeld beschäftigen, dass sie die Natur sinnlich aufnehmen, an Blüten
schnuppern, Schmetterlinge sehen – oder eben auch nicht, weil ihnen klar
wird, was durch den Klimawandel oder die Ausräumung der Landschaft schon
verloren gegangen ist. Es ist ganz wichtig, dass die Menschen in unserer
durchvirtualisierten Welt nicht von der Natur Abstand nehmen, sondern
begreifen, dass sie Teil davon sind. Es hat bei vielen Menschen schon eine
Entfremdung von der Natur stattgefunden.
Wie macht sich die bemerkbar?
Das zeigt sich vor allem daran, dass in der größten Wildtieraufnahmestation
in Norddeutschland, dem Nabu-Artenschutz-Zentrum in Leiferde, deutlich
mehr Tiere eingeliefert wurden, die vermeintlich hilflos waren. Da wurde
dann das Rehkitz mitgenommen, das die Mutter nur für kurze Zeit alleine
gelassen hatte, da wurde der Junghase eingesammelt, der sich einfach nur
ins Gras duckte, um sich zu verstecken. Außerdem wurden Jungvögel aus
Nestern genommen, was natürlich großer Unsinn ist. Die Tiere verhalten sich
nun einmal so, die Menschen erkennen es nur oft nicht.
Und was kann ich tun, wenn ich mir nicht sicher bin, ob ein Tier Hilfe
benötigt oder nicht?
Im Zweifelsfall ist es am besten, sich an Fachleute zu wenden – etwa
örtliche Tierärzte oder eine anerkannte Wildtieraufnahmestation. Deren
Telefonnummer kann bei der Polizei oder der Naturschutzbehörde erfragt
werden.
Und im besten Fall lerne ich auch selbst etwas über die Natur?
Menschen, die neugierig sind, beginnen im Idealfall damit, dieses Interesse
zu transformieren und beispielsweise im eigenen Garten oder sonstwo im
Grünen umzusetzen, indem sie aktiv werden: sich um Fledermäuse kümmern,
Nistkästen und Insektenhotels bauen oder Pflanzen säen beispielsweise.
Sie sehen die Coronapandemie offenbar eher als Chance.
Für uns ist es ganz wichtig, dass wir das Interesse an Natur aufgreifen,
gerade für unsere Umweltbildungszentren, und dass wir entsprechende
Angebote machen, die Natur kennenzulernen. Es gibt eine unglaubliche
Nachfrage an Mitwirkung, von der wir gar nicht wissen, ob wir ihr
nachkommen können.
Worauf sollen die Menschen achten, wenn sie sich in Naturschutzgebieten
aufhalten?
Wir können nur hoffen, dass sich die Menschen vernünftig verhalten, keinen
Müll herumliegen lassen, ihre Hunde an die Leine nehmen und sich an
vorgeschriebene Wege halten.
19 Sep 2020
## AUTOREN
Lena Toschke
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