# taz.de -- heute in hamburg: „Ich will meinen Körper auf die Spitze treiben… | |
Interview Leonie Theiding | |
taz: Frau Mai, Sie haben ein Jahr lang intensiv für Ihre Performance | |
trainiert. Ist Ihr Körper „männlicher“ geworden? | |
Patricia Carolin Mai: Jedenfalls wurde mir erzählt, dass ich einen sehr | |
„kantigen“ Körper bekommen habe. Kraft, Muskel und Ausdauer sind | |
Zuschreibungen, die auf mich bezogen werden. Ich nehme auch selbst wahr, | |
dass mein Körper über mehr Kraft verfügt als vorher. Diesen Prozess, an | |
einen Leistungssportler*innen-Körper anzudocken, den wollte ich erreichen. | |
Also war es ein Ziel der Performance, Ihren Körper zu verändern? | |
Nicht ganz, das war das Ziel unseres Experiments zuvor. Zwölf Monate habe | |
ich mich dieser Transformation gewidmet und meinen Körper zusammen mit | |
einem Sportwissenschaftler trainiert. Ich habe auch meine Haare | |
abgeschnitten. Für mich war es unglaublich zu erfahren, was diese | |
Zuschreibungen von außen in mir auslösen. | |
Warum haben Sie das gemacht? | |
Innerhalb der Performance haben wir uns gefragt, was „Androgyn-Sein“ und | |
das körperliche Ausbrechen aus den zwei Schubladen „männlich“ und | |
„weiblich“ bedeutet. Auch eine Körperhaltung, wie etwa die Faust als | |
Zeichen der 68er-Bewegung, haben wir uns angeschaut. Wir konnten erkennen, | |
wie körperliche Figuren in Schubladen gedacht und erkannt werden. Außerhalb | |
des Kontextes der 68er-Bewegung steht genau die gleiche Faust für etwas | |
anderes. Das zeigt die Ambiguität der Körperbilder. | |
Wieso war Ihnen das Androgyne an Körpern so wichtig? | |
Als Jugendliche, die Leistungsschwimmerin war, wurde mir schon immer | |
entgegengebracht, dass ich so einen männlichen Rücken hätte – das hat mich | |
verwirrt, weil ich mich immer als Frau gelesen habe. Ich fand es enorm, was | |
diese Aussagen mit mir gemacht haben. In meiner Performance wollte ich | |
dieses Gefühl der Verwirrung erforschen: Was sind diese Normen, Bilder, | |
Kategorien, mit denen wir konfrontiert werden? Immer im Hinblick auf Körper | |
in Extremzuständen. | |
War Ihre Transformation nur körperlich? | |
Nein, wir haben uns auch mit Kleidung auseinandergesetzt, die so und so | |
gelesen werden kann. Dafür haben wir uns die Zeit des Barocks angeschaut, | |
in der männliche und weibliche Körper die gleichen Klamotten trugen, von | |
Strumpfhosen bis zu Gehröcken. In dieser Epoche lief sehr viel ineinander, | |
was jetzt kategorisch getrennt wird. | |
Sind Sie beim Training an Ihre persönliche Grenzen gestoßen? | |
Ich habe fest entschieden, dass ich dieses Projekt durchziehen will, dass | |
ich das meiner Theorie über Körper in Extremzuständen schuldig bin – ich | |
wollte meinen Körper auf die Spitze treiben. Und ich kann Ihnen sagen, dass | |
ich niemals zuvor so hart trainiert habe, nicht als Leistungsschwimmerin | |
und auch nicht als Tänzerin. Meine Schmerzgrenze habe ich so ausgereizt, | |
dass ich mich jedes Mal gefragte habe: Schaff ich das noch mal? Genau | |
diesen Moment zu erreichen, war ein enormes Gefühl – dann auf meinen Körper | |
zu hören und zu merken: Ja, ich kann das noch mal. Mein Körper kann viel | |
mehr aushalten, als ich mir hätte vorstellen können. | |
1 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Leonie Theiding | |
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