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# taz.de -- „Training mit Delfinen“
> Women*Team (XVIII): Sportlerinnen bekommen weniger Aufmerksamkeit und
> Geld für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Parakanutin
> Edina Müller sagt, dass weibliche Vorbilder sichtbar sein müssen, die mit
> Behinderung Leistungssport machen
Interview Deborah Kircheis
taz: Frau Müller, gerade wären Sie eigentlich in Tokio bei den Paralympics.
Haben Sie Fernweh?
Edina Müller: Ja, natürlich denke ich viel daran, jetzt da zu sein. Aber
wir haben die Paralympics im Team trotzdem zelebriert, indem der Deutsche
Behindertensportverband die Paralymnix ins Leben gerufen hat. Wenn
Wettkämpfe gewesen wären, haben wir selbst einen kleinen Wettkampf gedreht.
Warum fahren Sie professionell Kajak?
Mein Partner und ich hatten ein Faltkajak, mit dem wir viel unterwegs
waren. Es war eher Zufall, dass ich das Rennkajak ausprobiert habe. Wir
sind einfach sehr wasseraffin und gern Kajak gefahren. Deswegen habe ich
mich dann in diesem Leistungssport ausprobiert.
Und davor?
Vorher habe ich Rollstuhlbasketball gespielt. Eigentlich wollte ich nicht
sofort in den Leistungssport zurück, sondern in der Freizeit Kajak fahren,
aber ich bin wieder da rein gerutscht. Da zieht einen die Leidenschaft hin.
Hätten Sie als Kind erwartet, einmal auf internationaler Ebene Sport zu
machen?
Nein, gar nicht. Meine Familie ist aber sehr sportbegeistert. Zum Beispiel
haben wir eigentlich immer sehr wenig Fernsehen geschaut – schon gar nicht
beim Essen. Aber wenn Olympia war, dann durfte der Fernseher auch mal am
Tisch laufen. Das war ein Highlight.
Im Alter von 16 Jahren haben Sie das Gefühl in Ihren Beinen verloren. Was
hat das mit Ihnen gemacht?
Mit 16 war es erst mal schwierig, sich emotional darauf einzulassen, weil
man nur schwer versteht, was das fürs Leben bedeutet. In dem Alter hat man
keine Vorstellung davon, wie ein Leben im Rollstuhl aussehen könnte, gerade
weil man in der Pubertät noch mit ganz anderen Sachen beschäftigt ist. Aber
wenn man in diesem Alter eine Behinderung erwirbt – was übrigens eine
seltsame Ausdrucksweise ist – dann ist es einfacher, weil man sich auf
viele Dinge einstellen kann. Ich habe direkt gelernt, mit Handgas Auto zu
fahren, meinen beruflichen Weg und meine Uni danach ausgesucht.
Haben Sie ein Vorbild?
Nein, ich habe da eher auf mich geguckt. Allerdings: Wenn man nie sieht,
dass eine Frau Präsidentin ist, wird auch kein Mädchen sagen, dass sie
Präsidentin werden möchte. Genauso ist es im paralympischen Bereich.
Deswegen konnte ich mich nirgendwo orientieren. Man braucht im Sport
weibliche Vorbilder und Vorbilder mit einer Behinderung, damit man danach
streben kann. Nur ein Beispiel: Im letzten Jahr war die Kanu- und
Parakanu-Weltmeisterschaft, die seit 2009 inklusiv ist. Das Fernsehen war
da und sie drehten einen zehnminütigen Beitrag. Nur wir wurden nicht mit
einem Wort erwähnt. Das ist hart.
Sind Sie beim Kajakfahren durch ihre Behinderung eingeschränkt?
Im Freizeitsport nicht, aber im Leistungssportbereich kann ich nicht die
Geschwindigkeiten der olympischen Athlet*innen erreichen. Denn man drückt
sich eigentlich mit den Beinen gegen das Stemmbrett, um Kraft aus dem
ganzen Körper in das Blatt zu bekommen.
Sind Sie heute glücklich?
Ich kann nicht sagen, wie mein Leben ohne Rollstuhl verlaufen wäre. Aber
man muss einfach irgendwie loslegen! Und jetzt habe ich meinen Job, den ich
immer machen wollte, wir haben ein Haus gekauft, ich habe mein Kind und
meinen Mann und möchte mir das nicht anders vorstellen.
Was war der coolste Ort, an dem Sie je Kajak gefahren sind?
Ich hatte ein Trainingslager in Florida. Dort haben wir auf einem Fluss
trainiert, in dem es Delfine und Seekühe gab. Die Delfine mögen die
Bugwellen, die man macht und springen drüber. Den ersten Trainingstag kann
man vergessen, weil man nur guckt. Aber es war schon extrem cool.
14 Sep 2020
## AUTOREN
Deborah Kircheis
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