# taz.de -- „Ende Gelände hat mir die Augen geöffnet“ | |
> Ein Gespräch mit Joanie Lemercier, der seine Bildkunst in den Kontext des | |
> Klimaaktivismus stellt | |
Klima-taz: Joanie, was war der Auslöser bei dir, dich mit der Klimakrise | |
auseinanderzusetzen? | |
Joanie Lemercier: Die jungen Menschen und die Aktivisten von Ende Gelände | |
haben im vergangenen Jahr einfach gehandelt. In meinem bisherigen Leben, | |
ich bin jetzt 37, wusste ich nicht, was ich tun kann. Ich habe geglaubt, | |
monatlich Greenpeace einen bestimmten Betrag zu überweisen, wäre schon das | |
Beste. Als ich sah, wie die jungen Menschen hoch motiviert in den Tagebau | |
hinuntergingen und zivilen Ungehorsam leisteten, habe ich gemerkt, dass ich | |
genau das eigentlich schon mein ganzes Leben lang hätte tun sollen. | |
Tatsächlich habe ich aber im Vergleich dazu nichts von Bedeutung gemacht. | |
Ich fühle mich deshalb sehr schuldig. Ehrlich gesagt, ich hatte keine | |
Ahnung, dass der größte Kohletagebau Europas gerade mal zwei Stunden | |
Fahrtzeit von Brüssel entfernt ist und von vier Kohlekraftwerken umringt | |
wird, die so eine zerstörerische Auswirkung durch ihre Emissionen auf die | |
Gesundheit haben. Das ist unglaublich! Ende Gelände hat mir die Augen | |
geöffnet, welches Ausmaß an Zerstörung wir vor den Toren unserer Städte | |
haben. | |
Glaubst du, deine Kunst kann die Menschen bewegen, sich für den Klimaschutz | |
einzusetzen? | |
Ich mache Visuals, Bildkunst. Anfangs war der Klimaaktivismus noch getrennt | |
von meiner künstlerischen Arbeit. Aber jetzt glaube ich, beides | |
funktioniert sehr gut zusammen. Ich arbeite gerade an einem experimentellen | |
Film über den Hambacher Forst, der auf dem Climate Camp in Aachen gezeigt | |
wird. Diese Art der künstlerischen Auseinandersetzung bedeutet, in | |
ständigem Austausch zu sein. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir | |
anfangen, wirklich miteinander zu sprechen. Der Hambacher Tagebau ist auch | |
deshalb interessant, weil du die dystopische Zukunft dort siehst. Du | |
siehst, wie alles verschwunden ist. Im Hambacher Forst gab es 140 Arten. | |
Jetzt stirbt der Wald. Ich denke, die Jugend wird uns Vorhaltungen machen, | |
warum wir nichts dagegen unternommen haben. Ich gestehe, ich war egoistisch | |
in Bezug auf meinen Energiekonsum. Ich habe mich nicht einmal gefragt, | |
woher überhaupt die Energie kommt, die ich verbrauche. Sie kommt aus den | |
zerstörten Orten zwei Stunden von Brüssel entfernt. | |
Welche Möglichkeiten hat die Kunst, Menschen zum Handeln zu motivieren? | |
Ich glaube, dass Bild- und Fotokunst etwas sehr Starkes vermitteln können. | |
Mit der Drohnentechnologie und Laserprojektion können wir neue Dinge | |
ausprobieren und neue Bilder erschaffen. Mit den Projektionen können wir | |
vielleicht auch ein anderes Publikum erreichen, das die Ästhetik der | |
Projektion mag. Sie lesen dann die Botschaften. Gefühle spielen bei der | |
ganzen Sache eine große Rolle. Kunst vermittelt Gefühle, oft besser als | |
andere Medien. Ich hoffe, meine Kunst kann eine Botschaft, eine Idee | |
vermitteln. Ich fühle Verwüstung oder Zerstörung, wenn ich die Rauchwolken | |
über dem Rheinland aufsteigen sehe. Ich sehe mich selbst jetzt als | |
Klimaaktivisten und arbeite mit anderen Visualkünstler*innen oder | |
Aktivist*innen zusammen. Wer sich mir anschließen möchte, kann auf | |
[1][meine Website] gehen und sich bei mir melden. Es ist sehr wichtig, | |
Gruppen zu finden, mit denen man gemeinsam aktiv sein kann. So schaffen wir | |
neue Communitys. Interview: Kathy Ziegler | |
25 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://joanielemercier.com/ | |
## AUTOREN | |
Kathy Ziegler | |
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