# taz.de -- Borneos Katzen | |
> Durch traurige Geschichten wandern: Das Theater an der Parkaue lädt in | |
> den Parcours „Der Dominoeffekt oder Die unsichtbaren Fäden der Natur“ | |
Von Annika Glunz | |
Zu zwölft betreten wir den leeren Zuschauerraum. Auf der Bühne steht eine | |
seltsame, schwer durchdringbare Konstruktion aus Seilzügen, einem Ballon, | |
einem vollen Müllsack und einem Korb. Die beiden Personen auf der Bühne | |
tragen Kittel und erklären uns etwas darüber, wie alles mit allem | |
zusammenhängt. Wir kriegen jeweils einen Apfel in die Hand gedrückt und | |
werden hinter die Bühne geleitet, wo uns ein Soldat neben einem Fass voller | |
Insektenvernichtungsmittel erwartet. | |
Bei dem Insektenvernichtungsmittel handelt es sich um DDT, | |
Dichlordiphenyltrichlorethan, das seit dem Zweiten Weltkrieg großflächig | |
eingesetzt wurde, unter anderem auch auf Borneo. Kurz gesagt bewirkte dies | |
vor Ort, dass die ziemlich weit am Ende der Nahrungskette stehenden Katzen | |
große Mengen an DDT aufnahmen und starben. Damit sich Ratten und Mäuse | |
nicht ungehindert vermehrten, wurden Katzen mit Fallschirmen über dem | |
Dschungel abgeworfen. | |
Von der Katzen geht es weiter zu einer verschlossenen Tür. Beim Öffnen | |
offenbart sich dahinter eine Miniaturlandschaft, in deren Mitte ein | |
Klavierspieler sitzt. Zu traurigen Melodien berichtet er von einer Welt | |
ohne Insekten, von Bäumen ohne Früchte, grauen Landschaften und vom Himmel | |
stürzenden, toten Vögeln – alles Konsequenzen der Anwendung von | |
Insektenvernichtungsmitteln. | |
Bei der vierten Station des Parcours „Der Dominoeffekt oder Die | |
unsichtbaren Fäden der Natur“, der auf den wahren Geschichten beruht, die | |
der Insektenforscher Gianumberto Accinelli gesammelt und zu einem Buch | |
gemacht hat, befinden wir uns in Panama im Jahr 1951: Wir hören vom | |
afrikanischen Krallenfrosch, der tödliche Pilzsporen ins Land brachte. Wir | |
werden weitergeleitet und treffen auf der Bühne die anderen drei | |
Kleingruppen, die zeitversetzt mit uns den Parcours durchlaufen haben. | |
Gemeinsam befinden wir uns in Australien, wo Mistkäfer durch Schilder vor | |
Autos geschützt werden. Wieso das? Englische Soldaten brachten Rinderherden | |
nach Australien. Diese produzierten jede Menge Kuhfladen, mit denen die | |
australischen Mistkäfer nicht klar kamen, wird uns erklärt. Die daraufhin | |
aus Südafrika importierten Mistkäfer wurden fortan geschützt. | |
Nun könnte man meinen, jetzt sei hinreichend erklärt worden, wie sich | |
Geschehnisse und Handlungen gegenseitig bedingen, doch eine offene Frage | |
bleibt. Wozu um alles in der Welt dient nun dieses Konstrukt auf der Bühne | |
– und was machen wir mit unseren Äpfeln? | |
Die Schauspieler*innen beginnen, die Äpfel einzusammeln. Ein Apfel nach dem | |
anderen wird in den Korb auf der Bühne gelegt, bis er schwer genug ist, um | |
im Fall eine Wippe auszulösen, die den Müllsack ins Wanken bringt, was | |
wiederum bewirkt, dass der Ballon platzt und eine Mistkugel mit voller | |
Wucht über die Köpfe der Zuschauer*innen hinweg auf die Bühne saust und | |
alle dort Anwesenden umhaut. Die Schüler*innen im Publikum beginnen zu | |
applaudieren – doch das ist noch nicht das Ende. | |
Plötzlich beginnt sich die Bühne nämlich zu drehen. Jetzt erst wird uns | |
bewusst, dass wir uns, während wir glaubten, wir würden von einem Raum zum | |
nächsten wandern, die ganze Zeit auf dieser einen Bühne im Kreis bewegten. | |
Der Applaus der Schüler*innen am Ende fällt eher dünn aus, was vermutlich | |
durch die Pandemiemaßnahmen bedingt ist: Insgesamt befinden sich nur | |
ungefähr 50 mit großen Abständen zueinander platzierte Menschen im | |
Zuschauerraum. Dennoch ist die Irritation spürbar, auch bei den | |
Schauspieler*innen selbst: Die spielen nämlich glänzend. | |
„Der Dominoeffekt“, bis 23. 10. im Theater an der Parkaue, www.parkaue.de | |
24 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Annika Glunz | |
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