# taz.de -- heute in hamburg: „Es war eherein Wort-Ratespiel“ | |
Interview Deborah Kircheis | |
taz: Herr Lorenz, warum haben Sie die Online-Lehre des letzten Semesters in | |
so schlechter Erinnerung? | |
Lutz Lorenz: Hier war ein totales Chaos. Eine meiner Veranstaltungen | |
bestand lediglich aus drei Mails, die mir gesendet wurden. Zum Teil hat man | |
die Lehrenden in den Videokonferenzen gar nicht mehr verstanden. Das hatte | |
mit Lehre nichts mehr zu tun, sondern war eher ein Wort-Ratespiel. | |
Deswegen suchen Sie nun nach kreativen Möglichkeiten, die Präsenzlehre | |
umzusetzen? | |
Ja, deswegen veranstalten wir morgen das Seminar im Freien. Wir wollen uns | |
nicht beklagen, sondern Wege finden, wie man im nächsten Semester lehren | |
kann. Die wissenschaftliche Deutung der Krise ist jetzt erst recht | |
notwendig. | |
Sie betrachten die Pandemie mit Blick auf ihre sozialen Folgen. | |
Das Wohlbefinden der Menschen wird sehr stark nur auf den Virus reduziert. | |
Andere Faktoren, die nicht weniger gefährlich sind, werden einfach | |
ignoriert. Die soziale Ungleichheit ist gewachsen, ohne dass adäquat | |
reagiert wird. Es werden Milliarden in die Hand genommen, um die Wirtschaft | |
zu retten, aber für Studierende ist gerade mal eine Überbrückungshilfe von | |
500 Euro bis September geklärt. Davon kann man in Hamburg kaum eine Miete | |
zahlen. | |
Betrifft die wachsende soziale Ungleichheit auch Studierende? | |
Studierenden mit wenig Geld wird ans Herz gelegt, Kredite aufzunehmen, | |
statt ihnen finanzielle Mittel zuzusichern. Dadurch sehen sich Menschen | |
gedrängt, ein Studium abzubrechen oder gar nicht erst aufzunehmen. | |
Warum war die Hochschule mit der Situation so überfordert? | |
Der Abbruch des Präsenzsemesters hat alle schwer erwischt. Es existierte | |
keine Infrastruktur, auf die man zurückgreifen konnte, und die Verwaltung | |
war schon vorher unterbesetzt. Das konnte in der neuen Situation nicht | |
kompensiert werden. | |
Gab es Schwierigkeiten bei der Organisation des Seminars im Freien? | |
Unter den Lehrenden gibt es große Sorgen mit Corona-Leugner*innen oder | |
Verschwörungsgläubigen in einen Topf geworfen zu werden. Wir freuen uns | |
daher, dass Lehrende bereit sind, dafür in der Öffentlichkeit zu stehen. | |
Wir wollen den Einschüchterungen wissenschaftlich begegnen. | |
9 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Deborah Kircheis | |
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